fullscreen: Die Völker und Staaten der Erde (II)

Volks- und Staatsverhältniffe. §. 79. Abstammung und Sprache. 6L3 
tonen" (Wälscheu) bewahrt haben, — theils sind sie Ger¬ 
manen und zwar Deutsche flämischen oder niederrheinischen 
oder sächsischen Stammes, welche ebenso bis auf den heuti¬ 
gen Tag, der früheren spanischen und französischen Oberherr¬ 
lichkeit ungeachtet, eigene Volksthümlichkeir und Sprache nicht 
aufgegeben haben. — Auf diese Weise begegnen sich in Bel¬ 
gien die Zungen dreier verschiedener Völkerfamilien, der ger¬ 
manischen, celtischen und romanischen. Die Angehörigen der 
beiden letzteren sind indeß nicht wohl zu scheiden, weil der 
Wallone, dem mit der nationalen Literatur und Schrift eine 
volksthümliche Entwickelungs-Sphäre mangelt, nur so lange, 
als er in den unteren Kreisen des Lebens und der Gesittung 
verharrt, Wallone, d. i. Celte, bleibt, demnächst aber, mit dem 
Heraustreten aus diesen Kreisen, durch die Sprache und Sitte, 
die er adoptirt, sofort dem französischen Volkswesen einverleibt 
wird, dem nun seine Nachkommen für immer zu eigen gege¬ 
ben sind*). — Wir unterscheiden daher ein romanisch-celti- 
sches (französisch-wallonisches) und ein germanisches Belgien. 
Zu jenem gehört der höhere südliche, zu diesem der flache nörd¬ 
liche Theil des Landes und außerdem ein schmaler Gebicts- 
sireifen an der äußersten südöstlichen Grenze. An Flächcnaus- 
dehriung mögen beide einander ungefähr gleich kommen; in 
der Volksmenge überwiegt das germanische Belgien sehr er- 
*) So mag einst auch die Romanistrung des celtischen Galliens ge¬ 
schehen seyn. Mit dem allmähligen Durchdringen römischer Sitte, Bil¬ 
dung und Sprache bis in die unteren Schichten der Bevölkerung wurde 
nothwendig nach und nach auch die gallische Volkssprache aufgegeben, die 
von keiner eigenen literarischen Unterlage gestützt und getragen wurde, wäh¬ 
rend der gesellschaftliche Einfluß der Überwinder, wie der höher stehenden 
Volksgenossen, der Einfluß der Barre, wie der Kirche auf die Vertilgung der 
nationalen Sprache hinwirkten. Wie viel oder wie wenig römisches Blut 
in den Adern irgend eines heutigen Franzosen oder französisch redenden 
Belgiers fließt, läßt sich in den meisten Fällen gar nicht bestimmen; daß 
aber diejenigen Abkömmlinge der alten Gallier, die noch heute eine Mund¬ 
art ihrer fast verklungenen Sprache sprechen, gewiß nichts Römisches in 
sich tragen, ist gewiß. In diesem Betracht gewähren die Wallonen daher 
ein großes ethnographisches Interesse.
	        
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