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Hauptverkehrsadern Berlins, die sich vom Alexanderplatz über den Spittel—
markt durch die Leipziger Straße zum Potsdamer Platz zieht. Nach kurzer
Wanderung stehen wir an der Spree. Klein erscheint sie im Rahmen des
gewaltigen Stadtbildes, winzig uns, die wir die stolze Elbe überschritten
haben, und doch spielt sie eine große Rolle. Das sehen wir an den vielen
Lastkähnen, die ihren Rücken fast völlig bedecken. Es dürfte wohl kaum einen
deutschen Fluß von gleicher Größe geben, der sich an Bedeutung für Handel
und Verkehr mit der Spree messen könnte. Erlaubte uns die Zeit, einmal
eine Dampfertour nach oberhalb zu machen, so würden ihre seenartigen Er—
weiterungen und waldigen Ufer uns auch Bilder von großem landschaftlichen
Reize gewähren. Wir befinden uns hier in dem ältesten Teile der Stadt, an
der langen Brücke. Aber vom alten Berlin ist weder hier noch anderswo
viel zu sehen. Gerade in den alten Stadtteilen wachsen an Stelle der
alten Wohnhäuser immer mehr die himmelhohen Kaufhäuser aus der Erde,
die bis unters Dach nur Verkaufs- und Kontorräume enthalten. So
kommt es, daß gerade die Mitte der Weltstadt an Bevölkerungszahl immer
mehr abnimmt.
4. Auch die „Lange Brücke“ hat längst der Kurfürstenbrücke Platz
gemacht, die das Denkmal des Groͤßen Kurfürsten trägt, ein Meister—
derk des großen Bildhauers Andreas Schlüter. Der große Hohenzoller
schaut hinüber nach dem Kaiserlichen Schlosse, das zu seiner Zeit noch
so einfach und bescheiden war, von seinem Sohne aber zu dem gewaltigen
Königspalaste ausgebaut wurde, der noch heute, nach 200 Jahren, das
Staunen der Fremden und das Entzücken der Kunstfreunde bildet. In ehr—
furchtsvoller Weise hat man jedoch die alten Teile des Schlosses erhalten,
so daß man heute die ganze Entwicklung desselben verfolgen kann. Ein
Rundgang um das Riesengebäude führt uns zu dem Meisterwerke des
großen Künstlers Reinhold Begas, dem Nationaldenkmal Kaiser
Wilhelms J. Man weiß nicht, was man mehr bewundern soll an
dem herrlichen Denkmal: Ist es der schöne Säulengang mit den beiden
Viergespannen? Sind es die vier ungeheuren Löwen, die, über Kanonen
und Waffen liegend, Wache halten, oder, zum Sprunge gerüstet,
drohend den Feind zu erwarten scheinen? Sind es die beiden Relief⸗
platten des Sockels, die uns den schaudererregenden Krieg und den
lieblichen Frieden so deutlich vor die Augen stellen? Sind es die vier
undervollen weiblichen Figuren, die in leichter Anmut auf einer Kugel
dahinschweben? Ach nein, das Herrlichste ist doch der alte Heldenkaiser,
der auf seinem Lieblingsroß, geführt von einem anmutigen Mädchen,
seinem Schlosse zureitet. So lebt er und wird er leben im Herzen seines
dankbaren Volkes.
5. Von der Nordseite her kann man das Schloß betreten. Es kostet
nur fünfzig Pfennige, und wer wollte die nicht anwenden, um einmal das
Junere eines Kaiserschlosses zu sehen! Andere Fremde schließen sich
Uns an, und bald ist ein ganzer Trupp beisammen: Einheimische und Fremde,