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Gewachsen war ein Brombeerstrauch
Aus des geborstnen Brunnens Bauche
Daran der Mann sich fest that klammern,
Und seinen Zustand drauf bejammern.
Er blickte in die Höh' und sah
Dort das Kameelhaupt furchtbar nah,
Das ihn wollt' oben faßen wieder;
Dann blickt' er in den Brunnen nieder;
Da sah am Grund er einen Drachen
Aufgähnen mit entsperrtem Rachen,
Der drunten ihn verschlingen wollte,
Wenn er hinunter fallen sollte.
So schwebend in der beiden Mitte,
Da sah der Arme noch das Dritte:
Wo in die Mauerspalte gieng
Des Sträuchleins Wurzel, dran er
hicng,
Da sah er still ein Mäusepaar,
Schwarz eine, weiß die andre war;
Er sah die schwarze mit der weißen
Abwechselnde an der Wurzel beißen.
Sie nagten, zausten, gruben, wühlten.
Die Erd' ab von der Wurzel spülten,
Und wie sie rieselnd niederrann,
Der Drach im Grund' aufblickte dann,
Zu seh'n, wie bald mit seiner Bürde
Der Strauch entwurzelt fallen würde.
Der Mann in 'Angst und Furcht und
Noth,
Umstellt, umlagert und umdroht,
Im Stand des jammerhaften Schwedens,
Sah sich nach Rettung um vergebens.
Und da er also um sich blickte,
Sah er ein Zweiglein, welches nickte
Vom Brombeerstrauch mit reifen Beeren;
Da konnt' er doch der Lust nicht
wehren: —
Er sah nicht des Kameeles Wuth,
Und nicht den Drachen in der Flut,
Und nicht der Mäuse Tückcspiel,
Als ihm die Beer' ins Auge fiel.
Er ließ das Thier von oben rauschen,
Und unter sich den Drachen lauschen,
Und neben sich die Mäuse nagen,
Griff nach den Beerlein mit Behagen.
Sie däuchten ihn zu essen gut,
Aß Beer auf Beerlein wohlgemuth,
Und durch die Süßigkeit im Essen
War alle seine Furcht vergessen. —
Du fragst: Wer ist der thörichtMann,
Der so die Furcht vergessen kann?
So wiß, o Freund: der Mann bist du;
Vernimm die Deutung auch dazu:
Es ist der Drach im Brunnengrund
Des Todes aufgesperrter Schlund;
Und das Kameel, das oben droht,
Es ist des Lebens Angst und Noth.
Du bist's, der zwischen Tod und Leben
Am grünen Strauch der Welt mußt
schweben.
Die Beiden, so die Wurzel nagen,
Dich sammt den Zweigen, die dich tragen.
Zu liefern in des Todes Macht,
Die Mäuse heißen Tag und Nacht.
Es nagt die schwarze wohl verborgen
Vom Abend heimlich bis zum Morgen,
Es nagt vom Morgen bis zum Abend
Die weiße, wurzeluntergrabend.
Und zwischen diesem Graus und Wust
Lockt dich die Beere Sinnenlust,
Daß du das Lastthier Lcbcnsnoth,
Daß du im Grund den Drachen Tod,
Daß du die Mäuse Tag und Nacht
Vergißest und auf nichts hast Acht,
Als daß du recht viel Beerlcin haschest,
Aus Grabes Brunnenritzen naschest.
Friedr. Rückert.
84. Winfrieds Ende im Jahre 755.
Im Hofe des Erzbischofs (zu Mainz) drängte sich an einem sonnigen
Maimorgen das Volk der Stadt und der Landschaft. Zunächst an den
Stufen des Palastes standen die geistlichen Brüder, auf der einen Seite
Priester und Diakonen, auf der anderen Mönche der Klöster, neben ihnen
bie_ hageren bärtigen Gestalten der Einsiedler, welche ihre Baumzellen ver¬
lassen hatten, um den Segen des Erzbischofs zu empfangen. Haupt an