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Da kommt des Wegs gelaufen der Zuffenhauser Hirt;
„Dem Mann ist's trüb zu Muthe; was der uns bringen wird?"
18. „Ich bring euch böse Kunde: nacht ist in unsern Trieb
Der gleißend' Wolf gefallen, er nahm, so viel ihm lieb."
Da lacht der alte Greiner in seinen grauen Bart:
„Das Wölflein holt sich Kochfleisch, das ist des Wölfleins Art."
19. Sie reiten rüstig fürder; sie sehn aus grünem Thal
Das Schloß von Stuttgart ragen, es glänzt im Morgenstrahl;
Da kommt des Wegs geritten ein schmucker Edelknecht;
„Der Knab' will mich bednnken, als ob er gutes brächt'."
20. „Ich bring' Euch frohe Märe: Glück zum Urenkelein!
Antonia') hat geboren ein Knäblein, hold und fein."
Da hebt er hoch die Hände, der ritterliche Greis:
„Der Fink hat wieder Samen; dem Herrn sei Dank und Preis!"
L. Uhland.
247. Die Fische.
Von den tiefsten Tiefen bis hinauf zu den höchsten Höhen, im
Wasser wie in der Luft, überall ist Leben. Aber so verschieden
Wasser und Luft von einander sind, so verschieden sind auch die
Thiere, die in beiden leben. Mit dem Lichte und der Sonne be¬
freundet, erwacht der Vogel, wenn der Morgen graut und schliesst
das Auge, wenn die Sonne sinkt: der Fisch hat in der Tiefe des
Meeres beim hellsten Sonnenschein nur Dämmerlicht; sein Auge deckt
kein Augenlid, Tag und Nacht ist es geöffnet und schauet doch
weder den Aufgang noch den Untergang der Sonne. Stumm ver¬
bringt er sein Leben, während der Vogel vor lauter Lust in den
Lüften jubelt und trillert. Er bauet kein Nest, er brütet und füttert
keine Jungen.
Die Grundgestalt des Fisches ist die eines Kahnes; sein Schwanz
ist das Steuer und die Flossen sind die Ruder. Leicht ist die Be¬
deckung seiner Haut, schlüpfrig der ganze Körper, verspitzt der Kopf
und platt der Leib an beiden Seiten. Wie der Ballast in den Schiffen
den unteren Raum desselben ausfüllt, damit sie gesichert vor dem
Umschlagen durch die Fluten gleiten, so ist auch der kahnförmige
Leib der Fische nach unten mit den Eingeweiden beschwert, nach
oben aber meistens durch eine Schwimmblase erleichtert. Diese
liegt unter dem Rückgrat, ist mit Luft angefüllt und gewährt dem
Fische grossen Nutzen. Ein leiser Druck seiner Rippen reicht hin,
die in der Schwimmblase enthaltene Luft zusammenzupressen, den
Körper dadurch schwerer zu machen und ihn plötzlich in die Tiefe
hinabzusenken. Lässt der Druck nach, so dehnt sich die Luft
wieder aus, und ohne Anstrengung wird der Fisch wie ein Ballon
in die Höhe gehoben. So durchschneidet er das Wasser noch be¬
quemer als der Kahn, den die Hand des Menschen gezimmert, und
rudert mit den kurzen Flossen rascher als der Frosch, den die
vier Ruderstangen seines Leibes, ihrer Länge wegen, mehr behindern.
') Der Enkel und Nachfolger Eberhards des Greiners, Eberhard der Milde
(1392—1417), hatte sich 1380 mit Antonia, der Tochter des Beherrschers von Mailand,
Barnabo Visconti, vermählt.