Full text: Deutsches Lesebuch für die Oberstufe mehrklassiger Schulen

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und auskommen will. Ich meinestheils muß wohl sagen, daß mir ein 
gutes Gewissen viel tausendmal lieber wäre, als alle Berge in der Welt, 
wenn sie von Gold wären. 
Bei uns glaubt manchmal auch einer, wenn er beim Pflügen oder 
sonst wo ein Stücklein Schwefelkies oder Kupferkies findet, er habe Gold 
gefunden. Ein solcher Fund ist aber meistens keinen Pfennig werth, ob¬ 
gleich der Stein fast ebenso gelb aussieht und auch fast so glänzt wie 
Gold. Denn es ist nicht alles Gold, was glänzt.^ 
Da das Gold so vielen Akenscheu das Wünschenswertheste auf der 
ganzen Erde schien und oft höher als Gesundheit und Gottseligkeit ge¬ 
schätzt wurde, so fehlte es nicht an Versuchen, sich dasselbe auf thörichten 
oder gottlosen Wegen zu verschaffen. Die Einen glaubten, wenn man nur 
die rechten Erdarten in einem Tiegel zusammenschmelze und allerlei Zauber¬ 
formeln dabei ausspreche, so werde Gold in dem Tiegel entstehen. Allein 
diese Thoren verloren Zeit, Geld und Frömmigkeit; ihr Hab' und Gut 
flog oft als Rauch zum Schornstein hinaus. Andere wollten gemünztes 
Gold in Töpfen aus der Erde graben. Mit Hülfe eines Schatzgräbers 
und einer Wünschelruthe hoffte man den Geistern unter der Erde ihre 
verborgenen Schätze abzugewinnen. Doch Mühe und Kosten und die gott¬ 
lose Beschwörung der Geister sind allemal vergeblich gewesen. Durch 
Zauberei wird kein Mensch reich, und der Betrug führt selten zu einem 
guten Ende. Arbeit und Sparsamkeit füllen das Haus, und Morgen¬ 
stunde hat Gold iM Munde. Schubert. 
404. Friedrich Wilhelms IV. Thronbesteigung. 
Ich befehle, zwei kostbare Documente der Öffentlichkeit zu übergeben, 
welche mir, nach dem Willen meines in Gott ruhenden königlichen Vaters 
und Herrn, am Tage seines Heimgangs eingehändigt worden, wovon das 
eine bezeichnet ist: „Mein letzter Witte", das andre: „Auf Dich, meinen 
lieben Fritz" anfängt, und welche beide von seiner eigenen Hand geschrie¬ 
ben und vom 1. December 1827 datirt sind. 
Der Heldenkönig aus unserer großen Zeit ist geschieden und zu seiner 
Ruhe, an der Seite der Hcißbeweinten und Unvergeßlichen, eingegangen. 
Ich bitte Gott, den Lenker der Herzen, daß er die Liebe des Volkes, die 
Friedrich Wilhelm III. in den Tagen der Gefahr getragen, ihm sein Alter 
erheitert und die Bitterkeit des Todes versüßt hat, auf mich, seinen Sohn 
und Nachfolger, übergehen lasse, der ich mit Gott entschlossen bin, in den 
Wegen des Vaters zu wandeln. Mein Volk bete mit mir um Erhaltung 
des segensreichen Friedens, des theueren Kleinods, das er uns im Schweiße 
seines Angesichtes errungen und mit treuen Vaterhänden gepflegt hat; — 
das weiß ich, sollte dies Kleinod je gefährdet werden, was Gott verhüte, 
so erhebt sich mein Volk wie ein Mann auf meinen Ruf, wie sein Volk 
sich aus seinen Ruf erhob. 
Solch ein Volk ist es werth und fähig, königliche Worte zu vernehmen 
wie die, welche hier folgen, und wird einsehen, daß ich den Anfang meines 
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