Full text: Mit 27 Abbildungen (Teil 3 = (6. - 8. Schuljahr), [Schülerband])

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Streiten, von dem prahlerischen Franzosenvolk, dem sie's schon zeigen wollten, 
daß deutsche Hiebe weh täten und Ulanenlanzen eine Spitze hätten! — 
Aber wenn er's dann neben sich seufzen hörte, recht tief und schwer seufzen, 
und das kleine Mädchen auf seinem Arme ihm die Händchen ans Gesicht 
und um den Hals legte, — dann wollt's nicht mehr mit dem Reden gehen; 
es war, als stäke ihm etwas in der Kehle, das er nicht hinunter— 
würgen konnte. 
b. So waren sie bis zur Hälfte des Weges an die Stadt gekommen, wo 
sich der Reservist Jakob Hellmut zu stellen hatte. Auf der Höhe, wo sie 
standen, lag ein großer Stein an der Straße. Käthe setzte sich und sagte: 
„Nun sitz noch einmal neben mir nieder, nimm mich noch einmal in deinen 
Arm und laß mich meinen Kopf an dich lehnen; dann will ich dir noch ein 
gutes Wort sagen zu guter Letzt! — Du hast mir's ja oft erzählt, daß 
viele Kameraden Bilder und Kreuze um den Hals tragen und meinen, daß 
sie Schutz dran hätten vor den Kugeln. Ich weiß wohl, du hältst nichts 
davon, aber ich möcht' dir doch was mitgeben. Es ist das Psalmbuch, 
das ich noch von der Mutter hab'· Nimm's mit, mein Alter. Ich weiß 
die schönsten Lieder auswendig und hab' sie dir angestrichen in dem Buche. 
Wenn du dann einmal eins liest beim Wachtfeuer oder im Quartier und 
denkst an mich und die Kinder, dann hast du auch Schutz gegen alles Böse, 
rechten, echten Schutz. Versprichst du mir's, daß du es willst?“ 
Dabei schmiegte sie sich an ihn, streichelte ihn über die bärtige Wange 
und schob ihm das schmale, alte Büchlein in braunem Lederband in die 
Brusttasche. 
Er aber preßte das brave Weib fest an sich, senkte seinen HKrauskopf 
zu ihr herab, und sie fühlte, wie eine heiße Träne aus seinem Auge über 
ihre Wange floß. Dann sprang er rasch auf, küßte die Kinder, winkte mit 
der Hand, und ohne zu reden eilte er den Berg hinunter, der Stadt ent— 
gegen, die mit ihren Türmen im Abendnebel verschwindend dalag. — 
7. Käthe aber saß noch ein Weilchen auf dem Stein und blickte dem 
Forteilenden mit tränenden Augen nach. Dann hatte sie ihr Kindlein fest 
in den Arm genommen; der Junge mußte ihren Rock anfassen, und so ging's 
heim. — Aber so eigen ist's mit dem Menschenherzen. Als sie den Maun 
so rasch und kräftig hinschreiten sah, da überflog sie der Gedanke: Morgen 
trägt er seines Königs schönen Rock, die blanke Tschapka, die Lanze, morgen 
sitzt er hoch zu Roß! — Ei, wie schön und mutig wird er dreinschauen! 
Und ein sonniges Lächeln stahl sich durch ihre Tränen. 
Das alles ging ihr wieder durch den Sinn, als sie an jenem September⸗ 
abend am Brunnen stand, umbraust von dem Siegesjubel von Sedan. 
Ntkolai Fries. (Die Frau des Ulanen.)
	        
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