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2. Dann aber kamen die Pferdeeisenbahnen nach Charlottenburg und
durch die Stadt und endlich 1882 die Stadtbahn. Der Straßenverkehr
einer Riesenstadt wie Berlin, die allährlich um 50000 Einwohner wächst
und von einer stetig steigenden Zahl von Fremden besucht wird, ist durch
neue Unternehmungen immer nur auf kurze Zeit befriedigt. Kaum sind
sie entstanden, so müssen sie auch schon wieder erweitert und durch neue,
verbesserte Verkehrswege und Verkehrsmittel ergänzt werden.
Die Berliner Pferdebahnen sind in den letzten Jahren unter großen
Kosten sämtlich in „elektrische“ umgewandelt worden. Vor kurzem ist
aber noch ein andres Riesenwerk seiner Vollendung entgegengegangen,
die „Hoch- und Untergrundbahn“. Eine umfassende weitere Vermehrung
der elektrischen Straßenbahnen war kaum noch möglich. Die verkehrs—
reichen Straßen können schon jetzt vielfach die Flut der Fuhrwerke aller
Art nur noch mit knapper Not aufnehmen. Man suchte sie durch die
Hoch⸗ und Untergrundbahn zu entlasten. Die große Firma Siemens und
Halske, welche die Erlaubnis zum Bau der neuen Bahn erhielt, hatte
für diese eine Strecke gewählt, für die eine Verkehrsverbesserung besonders
nötig erschien, die südliche Stadtgegend, vom arbeitsamen Osten und
dem vornehmen Westen nach der Mitte der Stadt.
3. Eine Hoch⸗ und Untergrundbahn! Die Mär, über die wir Kinder
uns dazumal gar nicht beruhigen konnten, ist nun zur Wahrheit geworden.
Die Bahn führt, wenn auch nicht über die Häuser dahin, so doch in der
Höhe des ersten Stockwerks. Sie führt gelegentlich durch Häuser hin—
durch; sie erklimmt einmal die Höhe eines dreistöckigen Hauses und ver—⸗
schwindet an andern Stellen ganz unter dem Pflaster der Straßen.
Der größte Teil der Strecke, etwa zehn Kilometer lang, ist als Hoch—
bahn erbaut. Als solche beginnt sie ganz im Osten Berlins ihren Lauf,
überschreitet die Spree auf der Oberbaumbrücke und schlängelt sich auf
dem etwa drei Meter hohen, ganz aus Eisen hergestellten Schienenwege
bis zur Mitte des Südens. Ich will nicht behaupten, daß sie gerade
zum Schmuck der Straßen dient, trotzdem die Erbauer das möglichste
getan haben, sie dem Auge angenehm zu machen und die sehr zweckmäßig
gebauten kleinen Bahnhöfchen hübsch herauszuputzen. Aber die Bahn hat
äinen bedeutenden Vorzug vor der Stadtbahn, an die sich der Berliner
gewöhnt hat. Das Geräusch der fahrenden Züge ist dank dem elektrischen
Betriebe und dank der ganzen Bauart, die den Schall möglichst mildert,
so gering, daß kaum irgend jemand wesentlich belästigt wird. Die Stadt⸗
bahn mit ihrem Lokomotivbetrieb und ihren langen Zügen ist ein wahrer
Grobian der Hochbahn gegenüber.