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2. auf der Nordsee war es still um unser Schift, nur die
Wogen brausten fort und fort; jetzt aber sehen wir schon
die ganze Wasserflsache von ein- und ausfahrenden oder
ruhig vor Anker liegenden Schiffen belebt. Nun fahren wir
schon an Woolwieh vorbei, und die Anzeichen mehren sich,
daß wir uns einer Weltstadt nãhern.
Der trũübe Flub ist auf beiden Setten von Werften, Arse—
nalen, Lagerhäusern, Fruchtspeichern und Fabriken einge-
faßt. Rauchende Schornsteine ragen gegen den dunsterfüũllten
Himmel, und ein unablässiges Geräusch und Getöse erfüllt
die Luft. Nun beschreibt der FIub einen weiten Bogen. Zu
unsrer Linken liegt Greenwiebh mit seiner weltberühmten
Sternwarte, auf der andern Seite, von der groben Schleife
der Themse umzogen, das Gebiet der weltberübmten Lon-
doner Docks. Zahlreiche überbrückte Einlässe führen zu ihren
inneren Hafenbecken, in denen sich Dampfer und Segler aus
allen Tellen der Welt zusammennden. Auber den weitläufigen
Ost- und Westindien-Doeks auf der Unken Flubseite egen den
letzteren gegenũüber auf einem kleineren Landvorsprung die
Handelsdocks. Auf diese folgen, weiter lubaufwärts, die
als Lade- und Lagerplätze für Kolonialwaren, Tabak und
Wein berübmten London-Docks, an die sieh die schon ganz
im Gebiet der eigentlichen Stadt gelegenen Katharinen-Docks
anreihen. Erst oberhalb des Tower bei der London-Brücke
endet der Bereich der Grobschiffabrt und des Seeverkehrs.
schon bei Black wall haben wir unsern Dampfer ver-
lassen und wandern staunenden Blicks stundenlang an
den steinernen, festgefugten Ufermauern dieser Hãsfen und
Docks entlang. Die Ebbe hat augenblicklich schon einen
ziemlieh tiefen Stand erreieht; aber die dureh gewaltige
Schleusen jetzt geschlossenen Binnenhäfen werden davon
nicht berübrt. Bhr Wasserstand erhält siebh, und durceh die
Fugen der Doppelschleusentore sprũühen unter dem gewaltigen
Druek zischende Wasserstrahlen hervor.
3. Des Dichters Wort: „Wer zählt die Vvölker, nennt die
Namen, die gastlich hier zusammenkamen?“ Kommt uns in
den Sinn, wenn wir die sich stundenweit binziehenden Ufer
dieser Hafenbecken entlang wandern. Fast alle Sprachen der
Welt vernimmt man hier aus dem Munde der umhereilen-
den Schiffer und Reisenden. Neger und Malalen, Chinesen,
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