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Ofen in der Ecke steht, im Winter weiter hinauf nach Norden recht un—
behaglich kalt hinter diesen Papierwänden. Das unvermeidliche Kohlen—
faß versammelt dann die frierenden Bewohner um sich, die herumhocken
und die steifen Finger darüberhalten.
4. Wenn's aber Frühling geworden ist, der wilde, wunderschön rote
Kirschbaum prächtig in Blüte steht, der Bambus junge Schosse treibt und
die Kamelien über den niedrigen Fächerpalmen ihren fürstlichen Staat an—
legen, — dann zieht's den Japaner hinaus auf die Wanderschaft in die
Berge, in die blühende Ferne. Wer's haben kann, der läßt sich in einem
ganz eigentümlichen Fahrzeuge fahren. Es ist ein kleiner, offener, auf
Federn ruhender zweirädriger Wagen, meistens nur für eine Person be—
rechnet, und in der Gabel geht oder läuft vielmehr ein Mensch. Am
Abend wird vorn unter das Wägelchen eine Papierlaterne gehängt, und
es sieht gar hübsch aus, wenn die hin und her fahrenden Lichter wie die
Leuchtkäfer durcheinander huschen.
5. Unser Wirt hat heute offenbar einen freien Tag; sein Reisfeld wird
wohl schon bestellt sein, und er kann mit Behagen sein Pfeischen rauchen.
Es ijt keine Kleinigkeit, das Reisfeld immer in Ordnung zu halten.
Den Winter über werden die durch niedrige, schmale Dämme — die
eigentlichen Wege des Landes — eingehegten Felder unter Wasser gesetzt,
damit das Unkraut abfault. Im Frühling öffnet man die Abläufe, und
nun wird der nasse, fette Boden mit der Hand und einer pflugschar—
ähnlichen Hacke umgebrochen, wobei der Arbeiter, bis an die Knie im
Moraste stehend, rückwärts gehen muß. Nahe beim Hause ist schon früher
das Saatbeet angelegt worden; ihm entnimmt man die jungen Reis—
pflanzen, die nun in Abständen von etwa 20 em in den Morast hinein—
gesetzt werden.
Außer seinem Reisfelde besitzt der Mann noch auf trockenem Boden
einen schönen Acker, den er mit Gerste bestellt hat. Wie sonderbar sieht
aber das Feld aus! Immer abwechselnd eine niedrige und eine hohe Reihe,
später im Sommer eine gelbe und eine grüne. Das kommt daher, daß
immer die zweite Furche einige Wochen nach der ersten besät wird. Ist
diese abgeerntet, so wird sie wieder gedüngt und bepflanzt und so die kleine
Ackerflüche so viel wie nur möglich benutzt. Bei solcher Bearbeitung wird
jedes Ackerstück aber auch ein Garten, in dem man Unkraut kaum findet.
6. Dieser Fleiß seiner Bewohner — verbunden mit hoher Begabung
und glühender Vaterlandsliebe — hat Japan in wenigen Jahrzehnten zu
Hirtea Deutsches Lesebuch. Ausg. B. UI. Neubtg.
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