— 440 —
zeichnen sich die Leute durch Arbeitsamkeit aus, und sie waren zur Zeit
meiner Anwesenheit durch Opiumgenuß nicht geschwächt, der der hohen
Kosten wegen wenig Eingang finden konnte. Dies kann sich aber jeht,
da in der Provinz selbst viel Dpium gewonnen wird, geändert haben.
5. Übrigens herrscht, wie allenthalben in China, ein Gegensatz zwischen
Stadt und Land. Blickt man auf die Felder, so erhält man den Ein—
druck emsigen Fleißes. Mit dem frühsten Morgengrauen sind die Leute
draußen, und in später Abendstunde sieht man sie noch immer dort be⸗
schäftigt. Die Mutter hackt die Löcher für den Samen, der Sohn wirft
die Körner hinein, der Hausvater verteilt aus einem Korbe den Dünger
sorgfältig auf jedes Korn. Dort geht ein Vater hinter dem mit Kühen oder
einer Kuh und einem Esel bespannten Pfluge; er wird von seinen Söhnen
bei der Arbeit unterstützt. Am Wohnhause wird der Kompostdünger von
einem Esel, der an einer Stange um eine Achse geht, mittels eines Mühl—⸗
steins gemahlen. Dann wirft man den Dünger auf Haufen, so daß
auch nicht ein Körnchen des kostbaren Stoffes verloren geht. Überall
auf dem Lande das Bild der Arbeit! Auch in den Markiflecken herrscht
reges Leben an den Markttagen, wenn auch die Beschäftigung nur im
Kaufen und Verkaufen besteht. Sieht man sich aber in den Städten um,
so glaubt man, daß die meisten Leute nichts zu tun haben. Sie be—
wegen sich langsam und stehen müßig umher.
6. Betritt man ein Dorf, so schwindet allerdings der Reiz, den es
aus der Ferne bietet; denn auch hier fehlt nicht der Schmutz in den
Straßen und Häusern, der sich in China überall findet. Die Fenster
bestehen aus hölzernen, mit Papier überklebten Gittern und erreichen hier
eine mäßige Größe. Kommt der Fremde in die schmale, meist mit Stein—
platten unvollkommen belegte Dorfstraße, so bellen ihn Hunde einer ge—
meinen, all emein verbreiteten Rasse an und belästigen ihn. Sie sind
aber, wie allerwärts in China, zu feige, um ihm jemals ein Leid an—
zutun. Schweine kleinen Schlages sind berechtigte Inhaber der Dorf—
straße und erhalten Zulaß in die Häuser. Dazu kommen die üblichen
Gerüche, die nie fehlen, wo Chinesen eng zusammenleben. Abfälle aller Art,
die nie hinweggeräumt werden, Ausdünstungen der offenen Kochherde, der
Salzfische in den Kramhandlungen, dazu der besondere Geruch, der der Rasse
eigen ist, und den nur der Fremde bemerkt: das alles wirkt zusammen, um die
Nerven unangenehm zu berühren. Und doch gedeiht der Chinese zu kräftigem,
hohem Alter in einer Luft, die der Europäer als verpestet empfindet. Gibt
es somit auch genug Unangenehmes zu überwinden, so stehen doch die Dörfer
von Schantung verhältnismäßig hoch. Manche Einrichtung weckt heimische
Srinnerungen in uns, so z. B. wenn fich die Dorfbewohner des Abends auf