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Das Königreich Polen. 
Strecken finsterer Wälder bewachsen. Auch wo der Horizont 
etwas offener war, wurde er allemal wieder von Wäldern 
bekränzt. Wo hier und da eine Lücke zwischen den Wäldern 
war, sahen wir etwas Viehweide, und an einigen Plätzen 
schlechten Getreidebau. Wenn ich nicht selbst diese Reise ge¬ 
macht hätte, so hätte ich mir nie einen Begriff von einer so 
ganz öden und traurigen Landschaft machen können. Eine 
todte Stille und Einsamkeit herrschte auf der ganzen weiten 
Strecke; nur wenige Spuren eines bewohnten, und noch 
wenigere eines cultivirten Landes kamen zum Vorschein. Auf 
dem ganzen langen Wege von 45 Meilen trafen wir nicht 
mehr als 2 Kutschen und etwa ein Dutzend Karren an. Auch 
die Mcnschenwohnungen waren sehr dünn auf diesem Flecke 
Landes. Einige wenige zerstreute Dörfer, deren Hauser alle 
von Holz find, liegen in großen Entfennmgen eins von dem 
andern, und ihr elendes Aussehen stimmt mit dem wüsten 
Zustande der um sie her liegenden Landschaft genau zusam¬ 
men. In diesen Haufen von zerstreuten Hütten befinden sich 
elende sogenannte Wirthshäuser, welche den Juden zugehören, 
aber nicht die mindeste Einrichtung zu einiger Bequemlichkeit 
haben. Eier und Milch waren die größten Leckerbissen, die 
wir aber nicht allenthalben erhalten konnten. Statt der Bet¬ 
ten hatten wir Stroh auf den Boden ausgebreitet, und schätzten 
uns noch glücklich, wenn wir es nur frisch bekommen konn¬ 
ten. So wenig verwöhnt wir auch sind, so befanden wir 
uns doch in diesem Lande des Jammers in großer Verlegen¬ 
heit. Wir fanden es für besser, hier auch während der Nacht 
unsere Reise unausgesetzt fortzusetzen, als uns dem ekelhaf¬ 
ten Ungemach auszusetzen, das wir in diesen Scheunen voll 
Unflath und Elends ausstehen mußten, und wir können mit 
gutem Grunde hoffen, daß uns das Dunkel der Nacht nichts 
anders entzogen habe, als die Ansicht finstrer Wälder, unbe¬ 
deutender Kornfelder und unglücklicher Menschen. Die Einge- 
bornen dieses Landes waren ärmer, niedergeschlagener und 
elender als irgend ein Volk, das wir auf unsern Reisen an¬ 
getroffen haben. Wo wir auf unserem Wege anhielten, dräng¬ 
ten sie sich schaarenwcise um uns her, und bettelten mit den 
niederträchtigsten Gebehrden um Almosen. Die Straßen ver-
	        
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