Full text: Oberstufe, Unterabteilung, (2. Klasse der Berliner Gemeindeschule) (Teil 4, [Schülerband])

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Garten gebaut wurden. Der Ereund des Franz Drake, dem dieser aus 
Amerika Rartoffeln zur Aussaat schickte und dabei schrieb, die Prucht 
dieses Gewuchses sei so trefflich und nahrhaft, dass er ihren Anbau in 
seinem Vaterlande für höchst nützlich halte, hätte sie fast aus seinem 
Garten wieder herausreissen und wegwerfen lassen. Denn er dachte, 
Franz Drake habe mit dem Worte „Frucht“ die Samenkugeln gemeint, 
die oben an dem Kraute hängen. Als nun zum Herbst die Samenkugeln 
gelb geworden waren, lud er eine Uenge vornehmer Herren zu einem 
Gastmahle ein, wobei es hoch herging. Am Ende kam auceh eine zu- 
gedeckte Schüssel, und der Hausherr stand auf und hielt eine schöne 
Rede an die Guste, in der er diesen sagte, er habe hier die Ehre, ihnen 
eine Frucht vorzusetzen, wozu er den Samen von seinem Freunde, dem 
berühmten Drake, mit der Versicherung erhalten hätte, dass ihr Anbau 
für England höchst wiehtig werden könne. Die Güste, meist Herren 
aus dem Parlament?ꝰ), Kosteten nun die Frucht, die in Butter gebacken 
und mit Zucker und Zimt bestreut war; aber sie schmeckte abscheulich, 
und es war nur schade um den Zucker. Da urteilten alle, die FPrucht 
Lönne wobl für Amerika gut sein, aber in England werde sie nicht reit. 
Nun liess der Gutsherr einige Zeit nachher die Rartoffelsträucher 
herausreissen, um sie wegzuwerfen. Aber eines Morgens im Herbste 
ging er durch seinen Garten und sah in der Asche eines Feuers, das 
sich der Gürtner angemacht hatte, schwarze, runde Knollen liegen. Er 
zertrat eine, und siehe, die duftete ihin so lieblich, wie nur eine gebratene 
Kartoffel duften kann. Er fragte den Gärtner, was das für RKnollen 
wüären, und der sagte ihm, dass sie unten an der Wurzel des fremden, 
amerikanischen Gewächses gehangen hätten. Nun erst ging dem Herrn 
ein Licht auf. Er liess die Knollen sammeln, zubereiten und lud dann 
die Parlamentsherren wieder zu Gaste, wobei er eine Rede hielt, in 
welcher er sagte, dass der Menseh, wenn er bloss nach dem urteile, was 
an der Oberfläche ist, gar leicht irren könne. 
Lange Zeit prangte die Kartoffel nur als Delikatesse auf den Tafeln 
der Reichen und Vornehmen. Als Volksnahrungsmittel wurde sie noch 
nirgends gebraueht. 
Viel spũter und sehr langsam fand diese Feldfrucht in Deutschland 
Eingang. Rönig Priedrich Wilhelm J. führte sie zuerst für den Unter- 
halt der Armen in der Charité zu Berlin ein; doch dies Beispiel haltf 
wenig. svein Sohn und Nachfolger, Friedrich der Grosse, ordnete im 
Jahre 1744 eine Verteilung von Saatkartoffeln in Pommern an, wobei 
er alle Gartenbesitzer versammeln und über den Anbau und Gebrauch 
der Frucht belehren liess. Die Bauern wollten die Kartoffeln jedoch nicht 
einmal annehmen und den Zwang zur Anpflanzung sich nicht gefallen 
lassen. Es Kam darũüber sogar zu Unruhen, und die Geistlichen wurden an- 
gewiesen, von den Kanzeln herab über die Zweckmüssigkeit des Kartoffel- 
baues zu predigen. Nicht besser war der Erfolg in den andern Pro- 
vinzen. Überall liess der König durceh die Landräte auf den Kartoffelbau 
3) Das Parlament — Stände- oder Reichsversammlung in England.
	        
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