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plump. An der Spitze des Schwanzes, in der Quaste verborgen, steckt ein
horniger Nagel. Die Augen sind klein und haben runde Sterne; die
Schnurrhaare sind in sechs bis acht Reihen geordnet. Vor allem ist es
die Mähne, welche die männlichen Löwen auszeichnet und ihnen das stolze,
königliche Ansehen verleiht. Diese Mähne bekleidet in vollster Ausbildung
den Hals und die Vorderbrust. Seit den ältesten Zeiten ist der Löwe
wegen seines Mutes, seiner Kühnheit und Kraft, wegen seiner Tapferkeit,
seiner Stärke, seines Heldensinnes, seines Adels und seiner Großmut, seines
Ernstes und seiner Ruhe bekannt geworden und hat den Namen „König
der Tiere“ erhalten. Es ist in der That das stärkste, mutigste und berühm
teste aller Raubtiere, die gewaltigste Katze unter allen. Unbezwingliche
Kraft, Selbstvertrauen, kühler, sicherer Mut und Siegesgewißheit im Kampfe
spiegelt sich in seinem Aussehen. Hoch aufgerichtet ist der Rumpf, noch
höher gehalten der Kopf, majestätisch ist sein Blick, würdevoll, achtung—
gebietend seine Haltung. Alles an ihm zeugt von Adel, jede Bewegung
ist gemessen und würdig, Körper und Geist stehen im vollsten Einklange.
In früheren Zeiten waren die Löwen weit verbreiteter als gegen—
wärtig, wo sie aus den stark bevölkerten Gegenden schon beinahe gänzlich
verdrängt worden sind. Sie fanden sich noch zu den Römerzeiten nicht nur
in ganz Afrika und dem südwestlichen Asien, sondern auch in Griechenland
und Macedonien, wo sie bereits seit mehr als anderthalbtausend Jahren
vollständig verschwunden sind. Der Löwe ist nirgends häufig, und dies
ist auch leicht zu erklären. Denn er bedarf so viel Nahrung, daß sich
eine große Anzahl von seinesgleichen in einer Gegend nicht lange würde
ernähren können. Breite, waldige Thäler an Flüssen sind seine Lieblings—
orte; auf Gebirgen scheint es ihm weniger zu behagen.
Seine Lebensweise ist eine rein nächtliche; denn nur gezwungen ver—
läßt er am Tage sein Lager. Bei Tage begegnet man ihm äußerst selten;
im Walde erst dann, wenn man ihn ordnungsmäßig aufsucht und durch
Hunde von seinem Lager auftreiben läßt. Erst mit der Nacht zeigt er sich
und kündet zunächst durch donnerartiges Brüllen sein Wachsein und den
Beginn seiner Streifzüge an. In die Nähe der Dörfer kommt der Löwe
nicht vor der dritten Nachtstunde. „Dreimal“, so sagen die Araber, „kündet
er durch Brüllen seinen Aufbruch an und warnt hierdurch alle Tiere, ihm
aus dem Wege zu gehen.“ Diese gute Meinung ruht leider auf schwachen
Füßen. Ebenso oft, als ich das Brüllen des Löwen vernahm, habe ich in
Erfahrung gebracht, daß er lautlos zum Dorfe herangeschlichen war und
irgend ein Stück Vieh weggenommen hatte.
Versetze dich im Geiste mit mir in eins der Steppendörfer Mittel—
afrikas oder in die Umzäunung eines Lagers der Nomaden, um eine jener
Nächte kennen zu lernen, welche durch den Löwen gestört werden. Mil
Sonnenuntergang hat der Nomade seine Herde in der Seriba eingehürdet.
Es ist dies der sicherste Schutzwall, den er bilden kann, nämlich ein etwa
drei Meter hoher und über ein Meter dicker, äußerst dichter Zaun, welcher
aus den stachligsten Ästen eines afrikanischen Strauches geflochten wird
Dunkel senkt sich die Nacht auf das geräuschvolle Lager herab. Die Schafe
blöken nach ihren Jungen; die Rinder, welche bereits gemolken wurden,