Full text: Oberstufe, Unterabteilung, (2. Klasse der Berliner Gemeindeschule) (Teil 4, [Schülerband])

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plump. An der Spitze des Schwanzes, in der Quaste verborgen, steckt ein 
horniger Nagel. Die Augen sind klein und haben runde Sterne; die 
Schnurrhaare sind in sechs bis acht Reihen geordnet. Vor allem ist es 
die Mähne, welche die männlichen Löwen auszeichnet und ihnen das stolze, 
königliche Ansehen verleiht. Diese Mähne bekleidet in vollster Ausbildung 
den Hals und die Vorderbrust. Seit den ältesten Zeiten ist der Löwe 
wegen seines Mutes, seiner Kühnheit und Kraft, wegen seiner Tapferkeit, 
seiner Stärke, seines Heldensinnes, seines Adels und seiner Großmut, seines 
Ernstes und seiner Ruhe bekannt geworden und hat den Namen „König 
der Tiere“ erhalten. Es ist in der That das stärkste, mutigste und berühm 
teste aller Raubtiere, die gewaltigste Katze unter allen. Unbezwingliche 
Kraft, Selbstvertrauen, kühler, sicherer Mut und Siegesgewißheit im Kampfe 
spiegelt sich in seinem Aussehen. Hoch aufgerichtet ist der Rumpf, noch 
höher gehalten der Kopf, majestätisch ist sein Blick, würdevoll, achtung— 
gebietend seine Haltung. Alles an ihm zeugt von Adel, jede Bewegung 
ist gemessen und würdig, Körper und Geist stehen im vollsten Einklange. 
In früheren Zeiten waren die Löwen weit verbreiteter als gegen— 
wärtig, wo sie aus den stark bevölkerten Gegenden schon beinahe gänzlich 
verdrängt worden sind. Sie fanden sich noch zu den Römerzeiten nicht nur 
in ganz Afrika und dem südwestlichen Asien, sondern auch in Griechenland 
und Macedonien, wo sie bereits seit mehr als anderthalbtausend Jahren 
vollständig verschwunden sind. Der Löwe ist nirgends häufig, und dies 
ist auch leicht zu erklären. Denn er bedarf so viel Nahrung, daß sich 
eine große Anzahl von seinesgleichen in einer Gegend nicht lange würde 
ernähren können. Breite, waldige Thäler an Flüssen sind seine Lieblings— 
orte; auf Gebirgen scheint es ihm weniger zu behagen. 
Seine Lebensweise ist eine rein nächtliche; denn nur gezwungen ver— 
läßt er am Tage sein Lager. Bei Tage begegnet man ihm äußerst selten; 
im Walde erst dann, wenn man ihn ordnungsmäßig aufsucht und durch 
Hunde von seinem Lager auftreiben läßt. Erst mit der Nacht zeigt er sich 
und kündet zunächst durch donnerartiges Brüllen sein Wachsein und den 
Beginn seiner Streifzüge an. In die Nähe der Dörfer kommt der Löwe 
nicht vor der dritten Nachtstunde. „Dreimal“, so sagen die Araber, „kündet 
er durch Brüllen seinen Aufbruch an und warnt hierdurch alle Tiere, ihm 
aus dem Wege zu gehen.“ Diese gute Meinung ruht leider auf schwachen 
Füßen. Ebenso oft, als ich das Brüllen des Löwen vernahm, habe ich in 
Erfahrung gebracht, daß er lautlos zum Dorfe herangeschlichen war und 
irgend ein Stück Vieh weggenommen hatte. 
Versetze dich im Geiste mit mir in eins der Steppendörfer Mittel— 
afrikas oder in die Umzäunung eines Lagers der Nomaden, um eine jener 
Nächte kennen zu lernen, welche durch den Löwen gestört werden. Mil 
Sonnenuntergang hat der Nomade seine Herde in der Seriba eingehürdet. 
Es ist dies der sicherste Schutzwall, den er bilden kann, nämlich ein etwa 
drei Meter hoher und über ein Meter dicker, äußerst dichter Zaun, welcher 
aus den stachligsten Ästen eines afrikanischen Strauches geflochten wird 
Dunkel senkt sich die Nacht auf das geräuschvolle Lager herab. Die Schafe 
blöken nach ihren Jungen; die Rinder, welche bereits gemolken wurden,
	        
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