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haben sich niedergelegt. Eine Schar wachsamer Hunde hält die Wacht.
Mit einem Male bellt sie hell auf, im Nu ist sie versammelt uͤnd stürmt nach
einer Richtung in die Nacht hinaus. Man hört den Lärm eines kurzen
Kampfes, wütend bellende Laute und grimmig heiseres Gebrüll, sodann
Siegesgebell — eine Hyäne umschlich das Lager, mußte aber vor den
mutigen Wächtern der Herden nach kurzer Gegenwehr die Flucht ergreifen.
Einem Leoparden würde es kaum besser ergangen sein. — Es wird stiller
und ruhiger; der Lärm verstummt, der Frieden der Nacht senkt sich auf das
Lager herab. Weib und Kind des Herdenbesitzers haben in einem Zelte
die Ruhe gesucht und gefunden. Die Männer haben ihre letzten Geschäfte
abgethan und wenden sich ebenfalls ihrem Lager zu. Es ist alles still und
ruhig. Selbst die kläffenden Hunde find verslummt, nicht aber auch lässig
oder schlaff geworden in ihrem treuen Dienste.
Urplötzlich scheint die Erde zu dröhnen — in nächster Nähe brüllt ein
Löwe! Ein wahrer Ausruhr und die größte Bestürzung zeigt sich in der
Seriba. Die Schafe rennen wie unsinnig gegen die Dornhecken an, die
Ziegen schreien laut, und die Rinder rotten sich mit lautem Angstgestöhn
zu wirren Haufen zusammen. Das Kamel sucht, weil es gern enffliehen
möchte, alle Fesseln zu zersprengen, und die mutigen Hunde, welche Leoparden
und Hyänen bekämpften, heulen laut und kläglich und flüchten sich jammernd
in den Schutz ihres Herrn. Dieser ist selbst rat- und thatlos, an seiner
eignen Stärke verzweifelnd, zittert er in seinem Zelte und wagt es nicht,
einem so furchtbaren Feinde gegenüberzutreten, weil er nur mit einer Lanze
bewaffnet ist. So muß er es geschehen lassen, daß der Löwe näher und
näher herankommt, daß die leuchtenden Augen zu dem Schrecken der Stimme
noch einen neuen fügen.
Mit gewaltigem Satze überspringt das mächtige Raubtier die drei
Meter hohe Dornenmauer, um sich ein Opfer auszuwählen. Ein einziger
Schlag seiner furchtbaren Tatzen wirft ein zweijͤhriges Rind zu Boden.
Das kräftige Gebiß zerbricht dem widerstandslosen Tiere die Wirbelknochen
des Halses. Dumpfgrollend liegt der Räuber auf seiner Beute. Die großen
Augen funkeln hell vor Siegeslust und Raubgier. Mit dem Schwanze
peitscht er die Luft. Er läßt das verendende Tier auf Augenblicke los und
faßt es mit seinem zermalmenden Gebiß von neuem, bis es sich endlich nicht
mehr regt. Dann tritt er seinen Rückzug an. Er muß zurück über die
hohe Umzäunung und will auch seine Beute nicht lassen. Seine ganze
ungeheure Kraft ist erforderlich, um mit dem Rinde im Rachen den Rück—
sprung auszuführen. Aber er gelingt. Ich habe selbst einen drei Meter
hohen Zaun gesehen, über welchen der Löwe mit einem zweijährigen Rinde
im Rachen hinweggesprungen war. Ich habe selbst den Eindruck noch
wahrgenommen, welchen die schwere Last auf der Firste des Zaunes bewirkt
hatte. Und auf der andern Seite hab' ich noch die Vertiefung im Sande
bemerkt, welche das herabstürzende Rind zurückließ, bevor es der Löwe
weiter schleppte. Mit Leichtigkeit trägt er eine solche Last seinem Lager zu,
welches vielleicht eine halbe Meile entfernt ist. Man sieht die Furche,
welche ein so geschlepptes Tier im Sande zog, oft mit der größten Deut—
lichkeit bis zum Platze, an welchem es zerrissen wurde.