Zeit auf der Erde leben und bei dem lieben Gott in die Kost gehen, ohne
die Tiere.
Soviel für diesmal von der Erde. — Wenn ein Mensch von derselben sich
aufheben und in gerader Richtung langsam oder geschwind zum Abendstern
aufsteigen könnte, der unter allen Sternen der nächste ist, so würde er
merkwürdige Dinge sehen. Der Stern würde vor seinen Augen immer
größer werden, zuerst wie der Mond, bald darauf wie ein großes Rad,
zuletzt wie eine unübersehbare Kugel oder Fläche. Sein Licht würde ihm
immer milder erscheinen, weil es sich immer über eine größere Fläche
verbreitete, ja, er würde in einer gewissen Entfernung davon schon Berge
und Thäler entdecken und zuletzt auf einer neuen Erde landen. Aber in
dem nämlichen Verhältnisse müßte unter ihm die Erde immer kleiner
werden und glänzender ihr Licht, weil es sich auf einen kleinen Raum
zusammendrängte. In einer gewissen Entfernung hätte sie für ihn noch
den Umfang wie ein großes Rad, hernach wie eine Schützenscheibe, hernach
wie der Mond, und endlich, wenn er gelandet wäre, würde er sie weit
draußen am Himmel als einen lieblichen Stern unter den anderen erblicken
und mit ihnen auf und untergehen sehen. „Sieh dort“, würde er zu
dem sagen, mit dem er zuerst bekannt würde, „sieh jenen lieblichen
Stern; dort bin ich daheim, und mein Vater und meine Mutter leben auch
noch dort. Die Mutter ist eine geborene Soundso.“ Es müßte ein wunder—
sames Vergnügen sein, die Erde unter den Sternen des Himmels und ganz
als ihresgleichen wandeln zu sehen. Joh. Peter Hebel.
66. Die Sonne.
Die Sonne, so nahe sie zu sein scheint, wenn sie früh hinter den
Bergen in die frische Morgenluft hinaufschaut, ist doch zwanzig MNillionen
Meilen weit von der Erde entfernt. Weil aber eine solche Zahl sich ge—
schwinder aussprechen als erwägen und ausdenken Lässt, so merke: Wenn
auf der Sonne eine grosse, scharf geladene Kanone stünde, und der
Soldat, der hinten steht und sie richtet, zielte auf keinen andern Menschen
als auf dich, so dürftest du deswegen in dem nämlichen Augenblicke, als
sie losgebrannt wird, noch herzhaft anfangen ein neues Haus zu bauen
und Könntest darin noch lange Zeit ruhig essen und trinken und schlafen.
Denn wenn aueh die Kugel in schnurgerader Richtung und immer in
gleicher Geschwindigkeit fort und fort flöge, so Könnte sie doch erst nach
Verlauf von fünfundzwanzig Jahren von der Sonne hinweg auf der Erde
anlangen, wiewohl eine Kanonenkugel einen scharfen Flug hat und zu
einer Weite von 200 m nicht mehr als den sechzigsten Teil einer Minute
braucht. Dass nun weiter die Sonne nicht bloss eine glänzende Penster-
scheibe des Himmels, sondern, wie unser Erdkörper, eine schwebende
Kugel sei, begreift man schon leichter. Aber wer vermag mit seinen
Gedanken ihre Grösse zu umfassen, nachdem sie aus einer so ungeheuern
PFerne solehe Kraft des Lichts und der Wärme noch auf die Erde ausübt
und alles segnet, was ihr mildes Antlitz bescheint?
Der Durchmesser der Sonne ist 108mal gröfser als der Durchmesser