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236. Das Heilige Land.
1. Mn der Nordgrenze Palästinas liegt das mit dem Mittelländischen Meer
fast gleichlaufende Libanongebirge. Es erhebt sich zu solcher Höhe, daß es
bis tief in den Sommer mit Schnee bedeckt ist, woraus man schließen kann, daß
einige der Berge über 29, Kilometer hoch sein müssen. Von der Küste des Millel
meeres aus steigen gemauerte Stufen empor, reich mit Maulbeerbäumen bepflanzt
zur Pflege der Seidenwürmer, von deren Zucht die Einwohner fast ausschließlich
leben. Nahe dem höchsten Rücken des Gebirges ist der berühmte Cedernwalb
auf einem steinigen Hügel von etwa einer halben Stunde im Umfang. Die Zahl
der noch vorhandenen Bäume beläuft sich auf reichlich 30035 von welchen die
stärksten noch aus Salomos Zeiten herrühren mögen.
Auf diesen Bergen sammelt sich ein bedeutender Wasserreichthum, der sich
durch Flüsse über eine große Landstrecke verbreitet. Gen Süden fließt der Jor⸗
dan, der in fast gerader Richtung von Norden nach Süden Palästina durch⸗
strömt. Sein Bett ist vor anderen Flüssen dadurch ausgezeichnet, daß es eine
sehr breite Einsenkung mit steilen Klippenwänden ist. Das Land im Osten von
diesem Flusse ist eine Hochebene, die auf der andern Sejte die arabische Sand—
wüste zur Grenze hat. Dieser ganze östliche Landstrich schänt eine der ausgedehn⸗
testen Basaltbildungen zu sein, die man kennt. Der Basalt ist eine dunkelfar—
bige, unter Mitwirkung des Feuers hervorgebrachte Steinart. Er verwittert leicht
und bildet dann eine sehr fruchtbare, zu seder Ärt von Kornbau geeignete Erd
aber wo er sich unverändert erhält, bildet er fürchterliche, schwarze, wüste Ein—
öden. Er läßt sich leicht bearbeiten, weshalb er vielfach zum Häuserbau gebraucht
ward; selbst Thüren machte man daraus Die von dieser Seite in den Jordan
strömenden Flüsse haben stets die natürlichen Abtheilungen dieses Landstriches
gebildet, nicht durch die Breite ihrer Gewässer, sondern durch ihre tiefen und
steilen Klippenthäler.
2. Der Jordan hat, wie gesagt, das Eigenthümliche, daß sein ganzer
Lauf durch eine große Einsenkung in das Land bestimmt wird. Diese Ensen—
kung ist sehr breit, selbst bis zu einer Tagereise, und der Strom selbst hat eine
im Vergleich damit unbedeutende Breite. Auf beiden Seiten wird diese Einsen—
kung von hohen und steilen Klippen begrenzt. Der Boden ist nicht mit frucht—
barer Erde bedeckt, sondern besteht aus kahlem Kalkfelsen, woraus die seltene
Erscheinung hervorgeht, daß der Fluß in einer unfruchtbaren Wüste läuft. Wir
verstehen nun, wie Johannes in der Wüste predigen und zugleich im Jordan
taufen konnte, was sonst, wenn der Jordan wie andere Flüsse wäre, schwer zu
begreifen sein müßte.
Der noch junge Strom ergießt sich bald in einen kleinen See mit Namen
Merom. Wenn der Schnee auf den Bergen schmilzt, schwillt dieser See hoch
an; aber in der trockenen Zeit ist er ein Schilfboden. Hier war es, wo Josua
einen großen Sieg über viele Bergfürsten gewann, wodurch das Quellenland des
Jordan in die Hände der Israeliten kam. Von hier fließt er in den See
Genezareth, welcher nach der Provinz auch das Galiläische Meer und
nach der daran liegenden Stadt Tiberias genannt worden ist. Die größte
Länge desselben folgt der Richtung des Flusses und beträgt reichlich 2 Meillen,
die Breite fast 1 Meile. Auf der westlichen Seite liegt das schöne gali—
läische Bergland, auf der östlichen das wüste Felsengebirge der Gadarener