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264. Friedrich Wilhelm, der große Kurfürst,
als Prinz.
Schurig.)
Als Jüngling von 18 Jahren lebte Friedrich Wilhelm in
der Stadt Haag in Holland. Dort sollte er lernen, wie er
einst seinen Staat regieren müsse. Nun herrschte aber damals
im Haag unter den vornehmen jungen Leuten Schwelgerei und
Sittenlosigkeit, und man wollte auch den jungen Prinzen Fried—
rich Wilhelm zum Bösen verführen. Aber er riß sich los und
sprach das schöne Wort: „Ich bin es meinen Eltern, meiner Ehre
und meinem Lande schuldig!“‘“ Er entfloh in das Kriegslager
seines Vetters, des Prinzen von Oranien, der die Festung Breda
belagerte. Als Friedrich Wilhelm ihm offenbarte, wärum er
Haag verlassen habe, klopfte dieser dem jungen Prinzen auf die
Schulter und sprach: „Vetter, Eure Flucht ist ein größerer
Sieg, als wenn ich Breda erobere. Denn wer sich selbst be—
zwingen kann, ist fähig zu großen Dingen.“
265. Der große Kurfürst als Landesvater.
Mach Bock und Andrä.)
Friedrich Wilhelm kam während des schrecklichen dreißig—
jährigen Krieges auf den Thron. Fremde Kriegsheere hatten
sein verwüstet. Wo vor wenigen Jahren noch Dörfer ge—
standen hatten, da war jetzt nur Schutt, und Gras wuchs über
den Trümmern. Wenn der Frühling ins Land kam, kehrten die
Störche und Schwalben wohl wieder zurück; aber das Haus,
wo sie lange gewohnt hatten, fanden sie nicht. Im Sommer
wurden die Bäume wohl grün; aber kein Saatfeld erfreute des
Menschen Auge und Herz. Es fehlte an Händen, die Felder
zu bebauen. Zu Tausenden hatte der Krieg die Menschen hin—
gerafft; Hungersnot und Pest hatten vollendet, was das
Schwert angefangen hatte.
Friedrich Wilhelm aber suchte auf alle Weise seinem ver—
wüsteten Lande aufzuhelfen. Er unterstützte die Landwirtschaft
und ließ in die veroödeten Gegenden Ansiedler aus Holland und
der Schweiz kommen, deren Fleiß den sandigen Boden in Acker
und Gaͤrten umschuf. Für Gewerbe und Handel war er nicht
minder tätig; er legte Straßen und Kanäle an und führte die
Post ein. und wohlhabende Franzosen nahm er in
großer Zahl in sein Land auf. Städte und Dörfer wurden
sieder aufgebaut und vergrößert. So sorgte Friedrich Wilhelm
unermüdlich für sein Land und fand seinen Lohn in dem schnel—
len Aufblühen desselben. Um es gegen künftige Angriffe der
Feinde zu n bildete er ein tüchtiges Kriegsheer.