214 Die Reformation in den Nachbarländern: Philipp Ü.
her, ohne etwas von dem Verrat zu ahnen, in Tirol weilte. Nur durch
schleunige Flucht entging Karl der Gefangenschaft; er gab aber jetzt die
Hoffnung auf, die Protestanten zu bewältigen. In dem Passauer
1o55 Vertrage, der durch den Augsburger Religionssrieden bestätigt
wurde, erhielten die Landesherren volle Religionsfreiheit und die
Bekenner der Augsburgischen Konfession gleiche bürgerliche Rechte mit
den Katholiken; die Reformierten aber waren in diesen Frieden nicht
eingeschlossen. Auch mußten die Evangelischen nach langem Widerstreben
sich mit dem geistlichen Vorbehalt einverstanden erklären, nach welchem
die in Zukunft zur lutherischen Lehre übertretenden Geistlichen ihre
Bistümer, Stifter und Pfründen der katholischen Kirche ausliefern sollten.
Diese Bestimmung war ein Keim zu künftigen Streitigkeiten.
Bald nach diesem Frieden übertrug Karl Y. seinem Bruder Ferdinand
die Regierung im Reiche; sein Sohn Philipp II. wurde sein Nachfolger
in den Niederlanden, in Spanien und Neapel. Dann zog sich Karl in
das Kloster St. Just (L. 82) in Spanien zurück; dort verbrachte er seine
Tage mit Gebet, Gartenbau, Drechslerarbeiten und Uhrmacherei, verfolgte
dabei aber aufmerksam die politischen Verhältnisse. Er starb 1558.
7) I>ie Deformation in den Wachbarkändern Deutschlands.
a. Philipp II., Karls Y. Sohn, König von Spanien und den
Niederlanden, sah es als seine Lebensaufgabe an, der römischen Kirche
wieder zur Alleinherrschaft zu verhelfen. In seinen Ländern wurden
unzählige „Ketzer" oder der Ketzerei Verdächtige auf die Folter gespannt
und zum Tode durchs Schwert oder auf dem Scheiterhaufen verdammt.
Bei dieser Verfolgung leistete ihm der Orden der Jesuiten willig
Dienste. Derselbe ist 1540 von dem Spanier Ignatius Loyola mit
der besonderen Aufgabe gestiftet worden, die evangelische Lehre zu unter¬
drücken. In Spanien wurde die neue Lehre vollständig ausgerottet;
aber in den Niederlanden breitete sie sich trotz aller Verfolgungen
immer weiter aus. Da sandte Philipp den grausamen Herzog Alba
(L. 23) mit einem Heere, der die Niederländer mit Gewalt bekehren
sollte. Aber obgleich Alba sich später rühmte, er habe in den Nieder¬
landen 18000 Menschen Hinrichten lassen, erreichte er doch sein Ziel nicht,
sondern bewirkte nur, daß Tausende auswanderten und sich endlich die
Niederländer gegen die Tyrannei empörten. Ihr Führer wurde Wilhelm
von Oranien, der früher ihr Statthalter gewesen war. Trotz des
langen Krieges konnte Spanien des kleinen Volkes nicht Herr werden,
das mit seiner neuen Seemacht den Feind auch in seinen Kolonien an¬
griff. Die südlichen, meist katholischen und halb romanischen Provinzen
(das heutige Belgien) unterwarfen sich wieder; dagegen rissen sich die