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Füßen ausgebreitet liegen und ein großartiges Panorama bilden. Es
lässt sich nicht bestimmen, wie weit das Auge reicht, denn gewöhnlich
schwimmt, sselbst beim heitersten Wetter, der entfernte Horizont in einem
Nebel, welcher den Lichtkreis des Gesichts verdunkelt und die Grenz-
scheide des Himmels und der Erde unkenntlich macht. Mehr als 300
Städte und Dörfer, Berge und Burgen, sind theils mit, theils ohne
Fernrohr zu erkennen, von denen wir nur Wernigerode, Halberstadt,
Quedlinburg, Magdeburg, Burg, Brandenburg, Zerbst, Bernburg, Köthen,
Ballenstädt, den Petersberg bei Halle, die Kiffhäuser Burg, den Dom
und den Petersberg bei Erfurt, das Schloss in Gotha, den Inselsberg
mit dem ganzen Thüringer Walde, die Gleichen bei Göttingen, den
"Meißner in Kurhessen, den Herkules auf der Wilhelmshöhe bei Kassel,
Clausthal, Cellerfeld, Hildesheim, Braunschweig, Wolfenbüttel und Helm-
städt nennen wollen. –~ Allerdings muss der Besucher durch gutes Wetter
begünstigt werden, welches freilich selten genug auf dieser Höhe zu finden
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und Nebelmeer gelangt und alsdann wenig oder gar nichts sieht. Bis
in den Mai und Juni hinein liegt der Schnee auf dem Brocken, und
es hat der ganze Oberharz nur wenig Frühling, dagegen viel Nebel und
Regen, nur 6 Wochen Sommer und ist sonach dem Klima von Nor-
wegen und Schweden entsprechend.
Das Volk, welches die Höhen des Harzes bewohnt, gleicht seiner
Heimat. Es ist kräftig und rauh, kühn und thätig, unverdrossen und
gutmüthig, duldsam und mit Geringem zufrieden, stolz auf seine Berge
und nur in ihnen glücklich. Alles, was im Oberharz lebt und waltet,
gehört dem Bergbau an, sei es als eigentlicher Berg- und Hüttenmann,
oder sei es als Köhler, Holzschläger und Fuhrknecht. Der Bergbau ist
die Seele des Lebens, der Mittelpunkt des Gebirges. Seit tausend
Jahren ringt dieses Völkchen mit Lebensgefahr dem Erdgeiste seine edel-
sten Schätze ab, um die Paläste reicherer Mitbrüder zu schmücken, andern
Genuss und Reichthümer zu verschaffen, während es selbst arm bleibt.
Die blassen Wangen, die scharfen, starken, kalten Gesichtszüge, die
straffen, fettlosen, aber kräftigen Muskelformen erzählen von den Müh-
seligkeiten seiner arbeitsvollen und entbehrungsreichen Tage, aber
im Auge des Harzers leuchtet das Gefühl der Freiheit. Freiwillig
und mit Lust geht er an die saure Arbeit seiner Väter, und sein
Frohsinn spricht von gesundem Herzen und munterer Gemüthsart.
Ein freundlicheres Klima empfängt den Wanderer, sobald er zum
Unterharze hinabsteigt, zu welchem man alles vom Brocken östlich lie-
gende Gebirge rechnet. Hier ist die unerschöpfliche Schatzkammer des
Malers und Dichters, hier finden sich alle jene lieblich schönen und
milden Thäler, jene rauschenden Bäche mit lustig plätschernden Wasser-
fällen, welche diesem nordischen Gebirge einen Weltruf erwarben. Hier
wechselt auch die traurige Tanne mit dem üppigsten Laubholze, und
hundertjährige Eichen wölben sich zum luftigen Dome, . schlanke Buchen