Full text: Lesebuch für die Mittelklassen katholischer Volksschulen

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Kommt wieder ein Wandersmann und sagt: „Das ist nicht 
recht, Bursche, daß du reitest und lässest deinen Vater zu Fuß 
gehen; du hast jüngere Beine.“ Da saßen beide auf und ritten eine 
Strecke. 
NKommt ein dritter Wandersmann und sagt: „Was ist das 
für ein Unverstand, zwei Kerle auf einem schwachen Tiere! Sollte 
man nicht einen Stock nehmen und euch beide hinabjagen?“ Da 
stiegen beide ab, und nun gingen alle drei zu Fuß, rechts der 
Vater, links der Sohn und in der Mitte der Esel. 
Kommt ein vierter Wandersmann und sagt: „Ihr seid drei 
kuriose Gesellen. Ist's nicht genug, wenn zwei zu Fuß gehen? 
Geht's nicht leichter, wenn einer von euch reitet?“ Da band der 
Vater dem Esel die vordern Beine zusammen, und der Sohn band 
ihm die hintern Beine zusammen; dann zogen sie einen starken 
Baumpfahl durch, der an der Straße stand, und trugen den Esel 
auf der Achsel heim. 
So weit kann's kommen, wenn man es allen Leuten recht 
machen will. 
157. Doktor Allwissend. 
Brüder Grimm. 
Es war einmal ein armer Bauer namens Krebs; der 
suhr mit zwei Ochsen ein Fuder Holz in die Stadt und ver- 
kaufte es für zwei Taler an einen Doktor. Als ihm nun das 
Geld ausbezahlt wurde, saß der Doktfor gerade zu lisch. 
Da sah der Bauer, wie der Doktor schöôön aß und trank, und 
das Herz ging ihm danach aut, und er wäre auch gern ein 
Doklor gewesen. Also blieb er noch ein Weilchen stehen 
und fragte endlich, ob er nicht auch könnt' ein Dokltor 
werden. „O ja,“ sagle der Doktor, ,das ist bald geschehen. 
„Mas muß ich tun?“ fragte der Bauer. „Erstlich kauf dir 
ein Abc-Buch, so eins, worin vorne ein Göckelhahn ist; 
zweitens mache deinen Wagen und deine zwei Ochsen zu 
Geld und schaff dir damit Kleider an und was sonst zur 
Doktorei gehört; drittens laß dir ein Schild malen mit den 
Worten: Ich bin der Doktor Alwissend, und laß das oben 
über deine Haustür nageln.“ 
Der Bauer tat alles, wie's ihm geheißen war. Als er 
nun ein wenig gedoktert hatte, aber noch nicht viel, ward 
einem reichen grohen Herrn viel Geld gestohlen. Da ward 
ihm von dem Doktor Allwissend gesagt, der in dem und in 
dem Dorsfe wohnte und auch wissen müßte. wo das Geld
	        
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