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fahrungs- und RrbeiisgaT^es auch für K n a b c n schätzen. Sie ist ja in
kleineren Familien wohn- und Eßzimmer, das chemische und physi¬
kalische Laboratorium des Hauses, für Kinder Zielpunkt erziehungs-
bedürftiger Strebungen, die Stätte manch schöner Hilfeleistung. „Die
Kleinen suchen die Küche auf, weil sie immer bei der Mutter
stecken, weil es darin hübsch warm ist, weil die Katz' auch da ist und
weil es etwas zum Schlecken gibt. Sie naschen an den Preiselbeeren,
machen sich über den Honigtopf her, langen mit dem Finger in die
Marmelade, fischen die weinbeerl aus dem Teig und betteln den Kandis¬
zucker. Der Geruch der Dampfnudeln lockt sie an. Zum Spielen brauchen
sie Häsen und Schüsseln, der Trichter ist ihr Soldatenhut, Kochlöffel
dienen als Gewehr und Säbel, manchmal bekommen sie ein wenig Teig
und dürfen Kuchen backen. Uber sie wollen auch richtig helfen, den
Braten bewachen, Tiegel und Pfannen zutragen, mit dem Besen her¬
umfahren und das holz aufschichten. Um liebsten schauen die Kinder in
das Feuer, weil es hell ist, vielerlei Farben hat, warm macht,'lustig
flackert, weil es so viel tut und prasselt. Sie stüren mit dem Schür¬
haken darin herum, bis das Eisen rot glüht, dann ins kalte Wasser,
daß es recht raucht und zischt. Mit dem Finger probieren sie die
Ofenplatte, verbrennen das Papier und meinen wunder, was das
wäre. Die größeren Knaben dürfen aber nicht bloß zuschauen,
sie müssen auch die Sachen holen, auf die Milch aufpassen, den Seiher
halten, die Mühle treiben, Salz bringen, Kartoffeln abschälen, holz
hacken, Späne machen, Kohlen tragen, Semmeln schneiden, Fleisch
wiegen, den Herd abfegen, das Geschirr spülen, die Geräte aufräumen
und den Boden wischen. Bushelfer sind sie beim Kaffeekochen und
Pfannkuchenbacken." HIs noch hos, Stall, Garten, Feld und Scheune
den Tätigkeitstrieb der Knaben befriedigten, konnte man diese
Küchenarbeiten den Mädchen allein überlassen,- in der engräumigen
Großstadt muß die Beschäftigungslust der Knaben auch für solche Helfer¬
dienste genützt werden. Es ist noch kein Zeichen von „Verweiblichung und
Verweichlichung", daß nur wenige Knaben sich dieser Arbeiten „schämen".
Der Anschauungsunterricht darf ein Gebiet, das so zahlreiche
Beobachtungen zuläßt und so viel Kinderwollen guter und schlimmer
Brt auslöst, nicht übersehen. Gerade hier bietet sich Gelegenheit, den
einseitigen „Subjektivismus" mit einem gesunden „Objektivismus" zu
vereinen und während des Unterrichts eine Stoffentwicklung zu er¬
halten, die dem induktiven Vorwärtsdrängen der Kinder die notwendigen
sachlichen und formalen Hemmungen entgegenstellt.