410 Neudeutsche Literatur.
Fehltritte das innere Wohlsein zugleich mit dem auswärtigen Einflusse tief
gesunken war, pflanzte sich dieser Geist bis in die blühende Periode ihrer
Literatur fort, und drückte ihr unverkennbar sein Gepräge auf. Hier erneuerte
sich bei weit höherer Geistesbildung in gewissem Grade jene glänzende Erschei—
nung des Mittelalters, wo Fürsten und Herrn die Kunst des Minne- und
Heldengesangs übten, wo die Ritter, ihre Geliebte neben der Andacht zum
heilligen Grabe im Herzen, freudig auf die gefährlichsten Abenteuer zum gelobken
Lande wallfahrteten, wo selbst ein löwenherziger König die zärtliche Laute zu
Liebesklagen rührte. — Die spanischen Dichter waren nicht, wie gewöhnlich in
den übrigen Ländern Europa's, Höflinge, Gelehrte oder an ein bürgerliches
Gewerbe geheftet; meistens von edler Geburt, führten sie ein kriegerisches Leben.
Das Buündniß des Degens und der Feder, die Uebung der Waffen und der
edleren Geisteskünste, war ihre Losung. Schon Garcilaso, einer der Stifter
der spanischen Poesie, unter Carl V. von den spanischen Incas abgestammt,
von seiner lieblichen Muse nach Afrika begleitet, fiel vor den erstürmten Mauern
von Tunis; Camoens, der Portugiese, segelte als Soldat ins entfernteste
Indien, auf der Spur des glorreichen Weltentdeckers, den er besang; Don
Alonso de Erxecilla dichtete seine Arancana während des Krieges mit empörten
Wilden, unter einem Zelt am Fuß der Cordilleres, oder in der von Menschen
noch unbetretnen Wildniß, oder auf einem im Ocean umhergetriebenen Schiff.
Cervantes erkaufte die Ehre, unter dem großen Johann von Oestreich die
Schlacht von Lepanto als gemeiner Krieger mitgestritten zu haben, durch den
Verlust eines Armes und lange Gefangenschaft in Algier; Lope de Vega er—
lebte unter andern die Unfälle der unüberwindlichen Flotte; Calderon that
Feldzüge in Flandern und Italien, unterzog sich als Ritter von Santiago
seinen kriegerischen Pflichten, bis er in den geistlichen Stand trat, und so auch
äußerlich beurkundete, wie die Religion die herrschende Triebfeder seines Lebens
sei. Wenn Religionsgefühl, biederer Heldenmuth, Ehre und Liebe die Grund—
lagen der romantischen Poesie sind, so mußte sie in Spanien, unter solchen
Auspicien geboren und herangewachsen, wohl den höchsten Schwung nehmen.
3. Friedrich von Schlegel.
. 137. Lehrb. d. 908)
1. Deutscher Sinn. 2. Liebesleben.
Froh mit Freunden rasch gelebt, Leis' und hold wie Kindes Scherz,
Herz zu Herzen hingestrebt, Rührt die Lieb' an unser Herz,
Von des Frühlings Lust getränkt, Jugendlust in Flammen glüh't,
Geistes Aug' in Geist versenkt, Wie die Rose Farben sprühst.
Ist des Deutschen Sitt' und Art, Bittrer Scheidung hart Geschoß
Die noch nie gewandelt ward. Bild des Grabes und Genoss',
Was in Kunst und Wissenschaft Und des Lebens rauher Sturm,
Fremder Himmel Hohes schafft, Ist der Freude Todeswurm.
Ward von ihm alsbald erkannt, Muß denn sterben so die Liebe,
Wuchs so mächt'ger seiner Hand Giebt es kein Gefühl, das bliebe?
Eines ihm Verderben bringt, Ja doch, wie aus Angst und Beben
Wenn ihn fremde Sitte zwingt; Sich entreißt ein neues Leben,
Eins empöret sein Gefühl, Das im Schooß der Mutter lacht:
Fremder Rechte loses Spiel. So, von Leiden angefacht,
Ewig bleiben die uns fern! Glänzt aus Thränen uns ein Licht,
Ehr' und Freiheit unser Stern! Das von süßer Hoffnung spricht,