Full text: Poesie und Prosa aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert

140 Christian Ewald v. Kleist. 
Vergangen unter Freud' und Lust. 
Zwar hab' ich auch manch Ungemach 
Erlitten. Als dein Bruder starb, 
b0 Da flossen Tränen mir vom Aug', 
Und Sonn' und Himmel schien mir schwarz. 
Oft auch ergriff mich auf dem Meer 
Im leichten Kahn der Sturm und warf 
Mich mit den Wellen in die Lust; 
6h Am Gipfel eines Wasserbergs 
Hing oft mein Kahn hoch in der Luft, 
Und donnernd fiel die Flut herab 
Und ich mit ihr. Das Volk des Meers 
Erschrak, wenn über seinem Haupt 
70 Der Wellen Donner tobt', und fuhr 
Tief in den Abgrund; und mich dünkt', 
Daß zwischen jeder Welle mir 
Ein feuchtes Grab sich öffnete. 
Der Sturmwind taucht' dabei ins Meer 
75 Die Flügel, schüttelte davon 
Noch eine See auf mich herab. 
Allein bald legte sich der Zorn 
Des Windes, und die Luft ward hell, 
Und ich erblickt' in stiller Flut 
80 Des Himmels Bild. Der blaue Stör 
Mit roten Augen sahe bald 
Aus einer Höhl' im Kraut der See 
Durch seines Hauses gläsern Dach, 
Und vieles Volk des weiten Meers 
gh Tanzt' auf der Flut im Sonnenschein, 
Und Ruh und Freude kam zurück 
In meine Brust. — Jetzt wartet schon 
Das Grab auf mich. Ich fürcht' es nicht. 
Der Abend meines Lebens wird 
90 So schön als Tag und Morgen sein. — 
O Sohn, sei fromm und tugendhaft! 
So wirst du glücklich sein wie ich, 
So bleibt dir die Natur stets schön.“ 
Der Knabe schmiegt' sich an den Arm 
95 Irins und sprach: „Nein, Vater, nein,
	        
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