Full text: Poesie und Prosa aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert

144 O. 18. Jahrhundert. U. Christian Günther. 
Wie freudig dacht' ich an den Tod! 
Ach Gott, gedenk einmal der Not, 
Für die ich als ein Knabe, 
40 Vorausgebetet habe. 
Jetzt lern' ich leider allzu früh 
Des Lebens Elend kennen; 
Es ist doch nichts als Wind und Müh, 
Wornach wir sehnlich rennen. 
45 Es gaufkeln Reichtum, Stand und Kunst, 
Die Wollust macht nur blauen Dunst. 
Und was wir so begehren, 
Muß allzeit Reu gebären. 
Mein eignes Kreuz ist überhaupt 
50 Ein Bündnis aller Schmerzen 
Und geht mir, weil es niemand glaubt, 
Empfindlich tief zu Herzen. 
Ach, Himmel, mindre meine Qual! 
Wö nicht, so laß mich doch einmal 
55 Nur eine Gunst erwerben, 
Und mehre sie zum Sterben. 
2. Abendlied. (Gekürzt.) 
Abermal ein Teil vom Jahre, 
Abermal ein Tag vollbracht, 
Abermal ein Brett zur Bahre 
Und ein Schritt zur Gruft gemacht. 
2 Also nähert sich die Zeit 
Nach und nach der Ewigkeit; 
Also müssen wir auf Erden 
Zu dem Tode reifer werden. 
Herr und Schöpfer aller Dinge, 
10 Der du mir den Tag verliehn, 
Höre, was ich tränend singe, 
Kaß mich würdig niederknien: 
Nimm das Abendopfer hin, 
Das ich heute schuldig bin!
	        
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