Full text: Erzählungen aus der allgemeinen Geschichte (1. Theil, [Schülerband])

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Theresia) und bedrohte sowohl ihr Leben, wie das ihrer Kinder. 
Der König rettete die Seinen vor weiteren Mißhandlungen nur dadurch, 
daß er versprach, seine Residenz und den Sitz der Volksvertretung 
nach Paris zu verlegen und das Versprechen alsbald erfüllte. Die 
Königin ahnte bereits das kommende Verderben, denn sie sagte zu 
einer vertrauten Kammerfrau: „Wir sind verloren, gefangene Könige 
sind dem Tode nahe.“ 
Auch in Paris beharrte die Nationalversammlung — diesen 
Namen hatte der Bürgerstand statt der Bezeichnung „die Reichsstände“ 
zewählt — bei ihrem bisherigen Bestreben, alle alten Verhältnisse um— 
zugestalten. Sämmtliche Klöster wurden aufgehoben, die Kirchengüter 
eingezogen und jeder Geistliche zur Ablegung eines Eides auf die 
neue Ordnung der Dinge genöthigt. Die alte Provinzialeintheilung 
wurde beseitigt und Frankreich in 83 Departements eingetheilt, das 
Gerichtswesen vollständig umgeändert und der Erbadel mit allen Vor— 
rechten abgeschafft. Durch diese Beschlüße wurde die ganze Bevölkerung 
auf das tiefste aufgewühlt und die dadurch entstandene Aufregung durch 
die vielen Clubs (politischen Vereine), die sich im ganzen Lande in 
großer Menge bildeten und unter denen der Jakobinerklub der 
wichtigste war, noch tausendfach gesteigert. Die Ermordung solcher 
Personen, die der Anhänglichkeit an die alten Zustände verdächtig 
waren, war an der Tagesordnung. Männer, die an der bisherigen 
Haltung der Nationalversammlung einen hervorragenden Antheil hatten, 
wie Mirabeau, fühlten, daß man den Wogen der Bewegung wieder 
Finhalt thun müsse, allein ihre Stimme verhallte ungehört und die 
revolutionäre Entwicklung gieng ungehindert ihren Weg. 
15. Die Hinrichtung Kudwigs XVI und seiner Gemahlin. 
Sobald die blutgierige Richtung, welche die französische Revo— 
lution eingeschlagen hatte, offen vor aller Augen lag, suchten zahlreiche 
Mitglieder der königlichen Familie, so wie Tausende aus dem Adel 
ihre Sicherheit in der Flucht ins Ausland. Auch der König machte 
zuletzt mit seiner Familie einen ähnlichen Versuch, allein derselbe miß— 
lang, er wurde auf der Flucht erkannt und zur Rückkehr nach Paris 
genöthigt. Ein Theil der Nationalversammlung verlangte seine un— 
mittelbare Absetzung; nach langen Debatten wurde Ludwig zwar wieder 
in seine Rechte eingesetzt, allein diese Wiedereinsetzung war nur eine 
scheinbare und der König thatsächlich der ohnmächtigste und jedem 
Schimpfe ausgesetzte Mann in Frankreich. Nicht einmal seines Lebens 
war er in den Tuilerien sicher, bei einem der täglich sich wieder—
	        
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