fullscreen: Geschichtsbilder aus der allgemeinen und vaterländischen Geschichte

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Betätigung des christlichen Lebens gepriesen. Die Zahl der Feste wuchs 
immer mehr, beeinträchtigte bei vielen die Lust zur Arbeit, nährte dagegen 
den Hang nach Vergnügungen. Menschensatzungen, oft nur dazu ge¬ 
macht, um selbstsüchtigen Zwecken zu dienen, verdrängten das reine Gottes- 
wort. Die Tradition (d.h. mündliche Überlieferung von Lehren und 
Geschichten) schätzte man der Bibel gleich. Beim Abendmahl wurde seit 
1214 den Laien, d. h. Nichtgeistlichen, der Kelch entzogen. Es war 
Lehre der Kirche, daß die Seelen nach dem Tode in das Fege- oder 
Läuterungsfeuer kämen, dessen Qualen durch Meßopfer abgekürzt 
werden könnten. Der Papst als Verwalter der Schätze Gottes könne den 
Schatz überflüssiger guter Werke der Heiligen Bedürftigen zuwenden. Auf 
biefert Ausspruch stützte sich die Lehre vom Ablaß, nach welcher der 
Bußbedürftige für Geld Nachlaß der irdischen Strafen (Kirchenbuße) und 
Milderung oder Abkürzung der Qualen im Fegefeuer erhielt. 
4. Die gespaltene Kirche. Ehrliche und wahrhafte Männer hatten 
sich gegen die zunehmende Verderbnis der Kirche erklärt und eine Reinigung 
derselben verlangt. Aber der Klugheit Roms, seiner Gewalt und List ge- 
lang es, alle Versuche einer Reformation zu unterdrücken, obwohl das 
Papsttum seit den Tagen eines Bonifa eins VIII. fein Übergewicht ein¬ 
gebüßt hatte. Auf die Zeit des babylonischen Exils der Päpste (1309 
bis 1378) (f. § 51, 1) war das hohnvolle Schisma (Kirchenspaltung, 
1378—1415) gefolgt. Anfangs zwei sittenlose, seit 1409 drei Päpste, 
da die beiden abgesetzten nicht abdankten, und alle drei einander ver- 
ketzernd: — das war das Zerrbild der Kirche Christi. 
5. Die mißglückten Reformversuche durch Waldus und Wiklef. 
Der reiche Kaufmann Peter Waldus in Lyon kam (um 1170) durch 1170 
das Lesen der Bibel zu geläuterter Erkenntnis. Er gab seine Güter den 
Armen, predigte das lautere Evangelium m der Landessprache und führte 
mit seinen Freunden in Armut und Gottseligkeit ein stilles, tätiges Leben. 
Bald fand er viele Anhänger, die Waldenfer genannt wurden. Da sie 
trotz des Verbotes fortfuhren zu predigen, wurden sie von Jnnocenz III. 
mit dem Banne belegt. In den furchtbaren Albigenferkriegen, die 
Südfrankreich mit Blut und Jammer erfüllten und die Blüte dieses herr¬ 
lichen Landes vernichteten, wurden sie trotz ihres lauteren Wandels hart 
verfolgt. Vor diesen Verfolgungen zogen sie sich in die Täler Piemonts 
zurück, 
Johann Wiklef (Wifliffc), ein Professor zn Oxford in England 
(um 1380), geißelte die Entartung des Papsttums und die eingerissenen 1380 
Mißbrauche der Kirche. Er übersetzte die Bibel in die englische Sprache, 
erklärte sie für die einzige Grundlage der Lehre und den Glauben als die 
Triebfeder eines heiligen Lebens. Er bekämpfte vornehmlich die Lehre von 
der Tradition, der Heiligenverehrung, der weltlichen Macht des Papstes, 
vom Ablaß, der Brotverwandlung und der Ohrenbeichte. Seine Lehren 
wurden als ketzerisch (irrgläubig) verdammt; er selber aber starb nnan- 
gefochten auf feiner Pfarre Lutterworth. Später (1428) ließ Papst 
Martin V. seine Gebeine ausgraben, verbrennen und in die Winde 
streuen. 
Po lack, Geschichtsbilder. 20. Aufl. 9lu§g. A. 15
	        
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