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und ein stummes Gebet gesprochen: „Mach's gnädig, Allbarmherziger!
Mach's den Kindern gnädig. Was es jetzt zu erdulden gibt, lasse mich
es allein erdulden ... Schenk' den Kindern ein sanftes Ende ...“
Ein sanftes Ende unter den Händen wilder Bestien, empörungstoller
Sclaven? Welch ein Gebet! Muss man nicht selbst toll sein, um auf
seine Erhörung zu hoffen? Verzweifelnd hatte sich der Unglückliche der
berauschten und blutdürstigen Horde entgegengeworfen und dem ersten,
auf den er traf, die Sense entrissen, nicht um sein Leben theuer zu ver—
kaufen, sondern um im Sterben noch seinen Kindern ein furchtbares
Todtenopfer zu bringen. Er meinte, der Boden unter seinen Füßen
schwände, meinte, das Bewusstsein der Wirklichkeit zu verlieren, als das
Gedränge, in dem er sich eben erst befunden hatte, nachließ, die Leute
auseinander stoben und er allein stand, zu seinen Füßen die Leichen
Jaslos und des Priesters und, in Schmerzen ringend, die Verwundeten
beider Parteien. Auf dem breiten Wege aber, der sich im Gewühl ge—
bildet hatte, kam Szela langsam herangeschritten. An jeder Hand führte
er einen der Knaben. Der ältere hinkte kläglich, schmiegte sich an seinen
Erretter und presste das Gesicht in die Falten von dessen Gewand. Der
jüngere blickte trozig drein: er war sehr bemüht, seinen zerrissenen Mantel
festzuhalten, um zu verbergen, dass ihm die Czemerka in Fetzen von der
nackten Schulter hieng. Josef folgte entwaffnet, den Kopf tief auf die
Brust gesenkt.
Zweifelnd, ungläubig, allmählich anflebend, wie verzückt, starrte der
Graf den Nahenden entgegen. Er wollte auf sie zueilen, aber seine Knie
brachen, und nur mit bebender Stimme vermochte er auszurufen: „Du
bringst sie mrr? .... Du Szela!“
Er riss seine Kinder an sich, er bedeckte sie mit Küssen, er streckte
versöhnend und vergebend seine Hand nach Josef aus. Sein Erstgeborener
jedoch hatte sich auf die Erde geworfen neben den todten Freund und
war in seinem maßlosen Schmerz taub und blind für alles, was um
ihn vorgieng.
Als der Graf sich fassend die Augen erhob und die Karawane er—
blickte, die vor seinem Hause halt gemacht hatte, schauderte er und sprach,
unfähig, seinen Abscheu zu bemeistern:
„Szela! Entsetzlicher! . .. Dein Werk?“
„Ich habe es nicht gethan,“ lautete die Antwort.
Fester drückte der Graf die Köpfe seiner Kinder an seine Brust, um
ihnen den schreckensvollen Anblick zu entziehen, von dem er selbst die
Augen nicht zu verwenden vermochte, und murmelte leise: „Aber auch
nicht verhindert!“
Szela zog die Achseln in die Höhe; eine harte und unerschütterliche
Ruhe lag auf seinem gefurchten Antlitz: „Ich habe doch die Kinder
meiner Herren gerettet“, sagte er, wandte sich ab und gieng von einer
Gruppe der Bauern zur andern. Eindringlich und kurz ertheilte er ihnen