Full text: Nicolaisches Realienbuch

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die wiederum Tausende dahinraffte. In Berlin z. B. waren ganze Straßen 
ausgestorben, da man die Häuser mit den Pestkranken, um die Verbreitung zu 
verhindern, einfach vernagelte. Die Einwohnerzahl der Stadt sank aus ein 
Fünftel herab. Die Mark Brandenburg verlor drei Fünftel ihrer sämtlichen 
Bewohner; ganz Deutschland hatte von 18 Mill. Bewohnern fast 12 Milk, 
verloren. 
3. Vernichtung von Handel und Gewerbe. Wie das platte Land so 
waren die Städte völlig verarmt; Handel und Gewerbe lagen danieder, die 
Handwerker hatten keine Beschäftigung, oder sie fanden keinen Absatz für ihre 
Waren. 
4. Religiöse und sittliche Schädigungen. Schulen und Kirchen waren 
zerstört oder standen leer; in der ganzen Priegnitz war nur ein Prediger- 
vorhanden. Die Jugend wuchs ohne llnterricht und Zucht auf und verwilderte 
fast gänzlich. Unter den Erwachsenen rissen Unwissenheit, Aberglaube und 
Roheit ein; Fluchen, Stehlen, Betrügen und Falschmünzerei waren an der 
Tagesordnung. Glaube an Zauberei beherrschte die Gemüter, so daß die 
greulichen Hexenprozesse bis ins 18. Jahrh, kein Ende nahmen. 
5. Gefahren für Kunst und Wissenschaften. Der Sinn für jedes 
höhere Interesse, für Kunst und Wissenschaft, war erstorben. Kein bedeutsames 
künstlerisches oder wissenschaftliches Ereignis wurde in der langen Zeit während 
des Krieges und nach demselben geschaffen. Der Reinheit der neuhochdeutschen 
Sprache, die durch Luthers Bibelübersetzung kaum begründet worden war, drohte 
durch das Eindringen der verschiedenen fremdartigen Ausdrücke und Redens¬ 
arten ernstliche Gefahr. Dem Eindringen des Fremdwörterunwesens suchten 
verschiedene Sprachgesellschaften, z. B. die Pegnitzschäfer in Nürnberg, zu 
wehren. Sie verfielen aber vielfach in Übertreibungen (Fenster = Tagelenchter, 
Nase — Gesichtserker). Von wesentlich höherer Bedeutung sind die Lieder¬ 
dichter jener Zeit, nämlich Paul Fleming („In allen meinen Taten"), 
Simon Dach („Der Mensch hat nichts so eigen") und besonders Paul 
Gerhardt („O Haupt voll Blut und Wunden; Befiehl du deine Wege"). 
6. Politische Ohnmacht Deutschlands. Deutschlands Macht war ver¬ 
nichtet, das Ansehen des Kaisers fast ganz geschwunden. Alle wichtigeren 
Angelegenheiten des Reiches hatte von nun an nicht der Kaiser, sondern der 
Reichstag zu entscheiden, auf dem jetzt außer den Kurfürsten und Fürsten auch 
die Vertreter der Städte Sitz und Stimme hatten. Die deutschen Fürsten 
waren völlig selbständig geworden und erhielten das Recht, Bündnisse mit 
anderen Staaten, aber nicht gegen Kaiser und Reich, abzuschließen. Die 
Macht der Nachbarreiche, besonders Frankreichs und Schwedens, war über¬ 
mäßig gewachsen. 
Kulturgeschichtliche Wilder. 
* Die Kreuzzüge. 
1. Die Ursachen. Seit dem 4. Jahrh, unternahmen christliche Pilger- 
häufig Wallfahrten nach dem Heiligen Lande. Die Araber hinderten die
	        
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