Full text: Geschichte des Altertums (Teil 7)

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88. Herbst. 
Schon ins Land der Pyramiden 
Hohn die Störche übers Meer; 
Schwalbenflug ist längst geschieden, 
auch die Lerche singt nicht mehr. 
Seufzend in geheimer Klage 
streift der Wind das letzte Grün; 
und die süßen Sommertage, 
ach, sie sind dahin, dahin! 
Nebel hat den Wald verschlungen, 
der dein stilles Glück gesehn; 
ganz in Duft und Dämmerungen 
will die schöne Welt vergehn. 
Nur noch einmal bricht die Sonne 
unaufhaltsam durch den Duft, 
und ein Strahl der alten Wonne 
rieselt über Tal und Kluft. 
Und es leuchten Wald und Heide, 
daß man sicher glauben mag, 
hinter allem Winterleide 
lieg’ ein ferner Frühlingstag. Theodor Storm. 
89. Fremdenleben unserer Zugvögel. 
Der Vogel, der den Grt verläßt, an dem sein Nest stand, zieht 
in die Fremde hinaus und hat nur das eine vor dem gleich ihm wan¬ 
dernden Menschen voraus, daß er in der Fremde allerorten bekannt zu 
sein scheint, wenigstens sich überall leicht einwohnt. 
Die behende Mauerschwalbe segelt um das schlanke Minarett, um 
die vereinzelt stehende Palme, scheinbar wenigstens, mit derselben Gleich¬ 
gültigkeit herum wie um den Turm des Domes ihrer Heimat,' der Udler 
ist mit dem Palmenwalde ebenso vertraut wie mit dem Föhrenwalde des 
Nordens; der Pirol versteckt sich in den dornigen Ästen der Mimose des 
innerasrikanischen Urwaldes nicht minder geschickt als im Gezweige der 
deutschen Eiche; die Ente schisst aus des heiligen Nilstromes Wellen 
ebenso gemächlich dahin wie aus dem Spiegel ihrer heimatlichen Ge¬ 
wässer. Sie alle richten sich an den ihnen fremden Grten sehr bald ein, 
wissen ihre Nahrung zu finden und begeben sich des Nachts an bestimmte 
Schlafplätze, als hätten sie diese jahrelang innegehabt. Und dennoch 
wissen sie, daß sie in der Fremde sind, und zeigen deutlich, daß es ihnen 
eben nicht sonderlich behagt, daß sie sich zurück in die Heimat wünschen. 
Der Himmel ist auch nicht immer heiter, die Erde nicht immer wirtlich 
da draußen; gar viele der nordischen Fremdlinge haben im Süden noch 
mit Kälte und Nauhigkeit, mit Sturm und Wetter, Mangel und Elend 
zu kämpfen. 
Jeder Vogel bezieht in der Fremde wohnplätze, welche denen ent¬ 
sprechen, die er in seiner Heimat erwählt, und betreibt dort sein Ge¬ 
werbe wie daheim. Die Naubvägel siedeln sich in Wäldern, an Flüssen 
und an Seen an; die Schwalben treiben sich mit den Vienenfressern in 
dem Innern Ufrikas umher; Pirole, Kuckucke, Mandelkrähen, Fliegen-
	        
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