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Die Verteilung der Welt im Wandel der Jahrhunderte.
Roosevelt teilt die Naturschätze in zwei Klassen ein; in solche, die sich ver-
mehren lassen, und solche, die sich nicht vermehren lassen. Mit den letzteren
(Kohlen, Petroleum, Eisen) müsse man aus Rücksicht auf die späteren Geschlechter
sparsam sein. Der Ertrag der elfteren (des Ackerbodens, der Wälder, der Wasser-
wege) könne noch außerordentlich gesteigert werden. Statt dessen hätte ein über-
triebener Individualismus die nationalen Interessen überwuchert.
Auf Roosevelts Anregung wurde ein Ausschuß gebildet, der über die Er-
Haltung der nationalen Reichtümer beraten und berichten sollte: die National
Conservation Kommission. Im Jahre 1909 erschien ihr erster Bericht.
Hier hören wir von dem zunehmenden großkapitalistischen Betrieb der gesamten
Landwirtschaft:
Von Süden her dringt die großkapitalistische Plantagenkultur
immer weiter vor.
Im Norden ist der Boden durch Raubbau vielfach ermüdet. Die
Hochfinanz monopolisierte durch Syndikate, wie den Fleisch- und
Mehltrust, die Erzeugnisse der Landwirtschaft, unterwarf sich durch die
großen Transport- und Expreßdienstgesellschaften den ländlichen Klein-
Handel und nahm selbst den Betrieb der Farmwirtschaft in der Form
von Aktienunternehmungen und unter Zusammenlegung bäuerlicher
Stellen zu Latifundien aus. Natürlich wird die Viehwirtschaft
bevorzugt.
Durch die Verwandlung des Bodens in Weideland wurde schon
vielfach das platte Land entvölkert, der Bauernstand vernichtet, manche
germanische Bauern sind schon nach Kanada ausgewandert; an ihre
Stelle sind Menschen niederer Rassen getreten.
Durch die Waldverwüstungen sind die alljährlichen Überschwemmungen
immer verheerender, spülen den guten Boden weg. Es entstehen immer
größere Sumpfgebiete, die durch Entwässerung in furchtbares Land
verwandelt werden könnten.
Man sieht, wohin der Amerikanismus, die vielgerühmte amerikanische
Freiheit sührt. Roosevelt setzt alle seine Kraft ein, um dieser Bewegung
entgegenzutreten.
Roosevelts Anklage gilt allen modernen Kulturvölkern, auch uns
Deutschen. Die Gegenwart hat unheimlich viel Ähnlichkeit mit der
Zeit des Ausschwungs, der bei den alten Griechen auf die Perserkriege,
bei den alten Römern auf den II. Punischen Krieg folgte1). Abermals
droht die Entwicklung zu Plutokratie und Demokratie zu führen, und
oft scheint es, als ob Plutokratie und Demokratie unter sich durch un-
sichtbare Fäden eng verbunden seien; oft ist es dem Kapital gelungen,
die Demokratie ganz in seinen Dienst zu stellen. Das Geld erscheint
1) Vgl. meine „Geschichte des antiken Sozialismus und Individualismus
S. 166 ff. Auch Schmoller weist in seinem „Grundriß der allgemeinen Volks-
wirtschaftslehre" S. 628 darauf hin.