Die Entartung der Nobilität und die sozialen Kämpfe.
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suchung als auch Urteilsspruch Mitgliedern des Senates
übertragen.
Im 2. Jahrhundert v. Chr. schied sich allmählich die römische
Bürgerschast in drei schars getrennte Stände: die
Nobilität (der Amtsadel); die nichtadeligen Mitglieder der
höchsten Vermögensstufe (die Ritter); das niedere Volk. Die
Macht war allein bei der Nobilität.
Die allgemeine Entrechtung machte sich natürlich besonders im
wirtschaftlichen Leben fühlbar:
Einerseits führte sie in Handel und Verkehr zu einer Monopol-
stellung Roms. Die römischen Bürger hatten in dem weiten Reich
unbeschränkte Freiheit in Kaus und Verkaus, in Geldgeschästen und
Verträgen; sie genossen dabei vollen Rechtsschutz und waren unverletzlich.
Dagegen war allen anderen Gemeinden in den Provinzen und in
Italien nur der Handel und Verkehr mit Rom gestattet, nicht unter
einander. Nach der Zerstörung von Karthago und Korinth besaß Rom
eine Welthandelsherrschaft.
Anderseits wurde die rücksichtslose Macht des Kapitals sür alle
wirtschaftlich Schwächeren, auch unter den Bürgern, verhängnisvoll;
sie brachte nicht nur Entrechtung, sondern geradezu Enteignung^).
3. Klassenjustiz: Zwar versuchten edeldenkende, idealgesinnte
Patrioten, der zunehmenden Entartung entgegenzutreten; aus ihren
Antrag und ihr Drängen wurden strenge Gesetze gegen den Ämter-
verkaus (de ambitu) und gegen die Ausbeutung der Provinzen
(de repetundis) gegeben. Aber sie erwiesen sich als wirkungslos; die
1) Schmoller spricht in seiner Allgemeinen Volkswirtschaftslehre II,
S. 628 von zwei Richtungen, die heute in den Vereinigten Staaten von Amerika
mit einander ringen: „Der alte politisch-moralische Idealismus der Begründer
der Union und der Wuchergeist der Geldmacher, der nur den momentanen
Gewinn kennt, rücksichtslos und skrupellos alle Grundsätze preisgibt, wenn
Millionen zu sammeln sind. Er schuf das Beutesystem in der Ämtervergebung,
die Wahlbestechungen (1888 6 Millionen Dollars Kosten für die Präsidenten-
wähl), die Erkaufung der politischen Parteien; er stand Pate bei dem Schutz-
system von 1890 an; er wird überstürzt weiter auf Eroberungen und Annexionen
dringen; er entrechtet die Neger; er versucht die Preise künstlich zu heben und
zu senken zu Gunsten einer kleinen Minorität. Die große Frage der Zukunft
ist, ob die Geldmacher oder die anständigen auf die Zukunft sehenden Leute die
Oberhand behalten". — Genau so lagen die Verhältnisse im 2. Jahrhundert
vor Chr. im römischen Reich. Wohl gab es noch eine Reihe von idealgesinnten
Männern: Eato. Ämilius Paulus, Scipio Ämilianus, die Familie der Gracchen.
Aber die Beutegier und der Wuchergeist der Geldmacher siegte.
Daran ist Rom zugrunde gegangen.