Full text: Griechische Geschichte (Abt. 1)

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Dritter Zeitraum. II. Abschnitt. 
Unterdess hatte die Regierung ihre Maaßregeln getroffen zur ge¬ 
waltsamen Verhinderung des Banketts, und sie stützte sich vornehmlich 
auf die Linie und die Municipalgarde (Polizeimannschaft), da sie sich 
auf die Nationalgarde nicht verlassen konnte. Zwei Tage (22. und 
23. Februar) lang hatte bereits das Pariser Volk mit Erfolg gegen die 
Linientruppen, welche zum Theil zum Volke übergingen und mit welchem 
die Nationalgarde sympathisirle, gekämpft, da erkannte Louis Philipp, 
dass es Zeit sei, durch Berufung eines Ministeriums Mols und durch 
Verheißung der Reform den Sturm zu beschwören. Kaum ward dies 
bekannt, so verwandelte sich der Kampf des Volks in unermesslichen 
Siegesjubel, die Barrikaden verschwanden, die Stadt wurde glänzend 
illuminirt und das Volk verlangte noch die Erleuchtung des Hütels 
Guizot (Abends 10 Uhr). Hier aber griff das Schicksal selbst mit 
gewaltiger Hand durch eine, jener Zufälligkeiten, deren Anfänge un¬ 
scheinbar, deren Folgen aber unermesslich sind, in die Geschichte. Es 
öffnete sich nämlich das Thor des Hätels und die darin ausgestellten 
Linientruppen richteten ohne vorhergegangene Warnung eine Salve auf 
das Volk, von welchem 52 Personen fielen. Wer vermöchte den plötz¬ 
lichen Uebergang von Freude zur höchsten Wuth zu beschreiben, genug, 
die Bewegung, die bis jetzt Emeute war, wurde dadurch zur Revolution. 
Nun war an ein Verbleiben Louis Philipp'ö nicht mehr zu denken und 
nicht eher ruhete das Volk, als bis er flüchtig geworden war, nicht 
achtend der am 24. Februar erschienenen Abdankungsakte des Königs 
zu Gunsten des Grafen von Paris, nicht achtend des hochherzigen Be¬ 
nehmens der Herzogin von Orleans, die sich und ihre beiden Prinzen 
vertrauensvoll dem Schutze der Deputirtenkammer übergab; jener 
Augenblick des Schießens war die schwere, blutige Geburtsstunde der 
Republik. Alles, was der König und seine Räthe nach jenen verhäng- 
nissvollen Salven thaten, war „zu spät". Er floh, und Niemand hin¬ 
derte ihn, Beweis genug, dass man ihn nicht fürchtete, sondern ver¬ 
achtete. Auf Englands Boden fand er eine gastliche Stätte und hier 
legte er, dessen vielbewegtes und schicksalsreicheö Leben ihn zu einem 
der merkwürdigsten Männer des Jahrhunderts macht, sein Haupt zur 
letzten Ruhe, zum Todesschlafe nieder. „Seine Dynastie, von ihm 
begründet und beschlossen, hatte keine Anhänger, keine Partei; ihre 
Herrschaft war auf Selbstsucht gegründet, darum fand ihr Fall keine 
Teilnahme, kein Mitleid. " Selbst sein Tod, der einige Jahre früher 
als ein europäisches Unglück anzusehen war, ging fast unbesprochen 
vorüber. Die Herzogin von Orleans flüchtete sich nach Deutschland 
und lebt in Eisenach in stiller Zurückgezogenheit, von den Armen als 
Wohlthäterin gepriesen und von Allen, die ihr nahen dürfen, hochgeehrt. 
Die Revolution neigte sich ihrem Ende zu, denn das überall sieg¬ 
reiche Volk nahm die Tuilerien und das Palais-Royal ein. Hier 
zeigte sich aber das Volk in einer bewundernswürdigen Größe; es
	        
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