202
1) Kriege im Gebiet südlich der Donau.
Um das Reich gegen die Raubzüge der nördlich von den Alpen
wohnenden Barbaren zu sichern und die Handelswege zwischen
Gallien und Italien ganz in römischen Besitz zu bringen, beschloß
Augustus, von seinem auf Erhaltung des Besitzes gerichteten Grund¬
satz abzugehen und die Grenzen des Reiches bis zur Donau vor¬
zurücken. So wurden seit dem Jahr 15 vor Chr. Rätien (samt
Vindelizien), Norikum, endlich auch Pannonien unterworfen.
Als nach fünfzehnjähriger Ruhe im Jahr 6 nach Chr. infolge des
Steuerdruckes und der Habsucht der römischen Beamten ein weit¬
verzweigter, furchtbarer Aufstand in Dalmatien und Pannonien
ausbrach, wurde er von des Kaisers Stiefsohn Tiberius nach drei¬
jährigem Krieg in Strömen von Blut erstickt.
Aus den festen Standlagern der Römer in den eroberten Ge¬
bieten, wie Augusta Vindelikörum (Augsburg), Juvävum (Salzburg),
Vindobona (Wien) u. a., gingen die ältesten Städte im südlichen
Deutschland hervor.
2) Die Kriege in Germanien.
Die Freude über den in Pannonien errungenen Sieg wurde arg
getrübt durch die Trauernachricht von der Niederlage des Varus,
welche um dieselbe Zeit aus Germanien einlief.
a) Auch hier hatte man nämlich, wenn man den Rhein als
Reichsgrenze gegen die Germanen aufrechterhalten wollte, von
der bloßen Verteidigung zum Angriff übergehen müssen. Es kam
darauf an, durch Unterwerfung der Landstriche zwischen
Rhein und Elbe eine Art Vormauer für die Sicherheit
der gallischen Provinzen zu gewinnen.
Die Aufgabe fiel dem zweiten Stiefsohn des Augustus und
jüngeren Bruder des Tiberius, dem kriegstüchtigen, beim Volk in
hohem Grad beliebten Drusus (Fig. 248), zu. Im Jahr 18 vor Chr.
übernahm er die Verwaltung Galliens und zugleich den Oberbefehl
gegen die Germanen. Mit Hülfe der den Römern freundlich ge¬
sinnten Bataver stellte er einen Kanal vom Niederrhein zur
Zuijdersee1) und von hier zur Nordsee her, um der Rhein¬
flotte eine sichere, kürzere Fahrt zur Ems- und Elbmündung zu
ermöglichen; von den Friesen unterstützt fuhr er die Nordsee¬
küste entlang bis zur Wesermündung und unterwarf die
*) Die Zuijdersee ist erst infolge von Durchbrüchen des Meeres 1219
ucd 1282 aus einem Binnensee zu einem Meerbusen geworden.