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war, verdrängte lange die vorher wirksame Richtung auf Ausbildung des 
Nationalen, machte aber der eingetretenen Verwilderung nach und nach ein Ende. 
Für diese Kavaliersbildung gründete man vielfach Ritterakademien: z. B. 1655 
in Lüneburg, 1709 in Cassel (als eine Art Erneuerung des im Krieg zu Grunde 
gegangenen Collegium Mauritianum vom Jahr 1618), in Brandenburg 1704, 
in Berlin 1705. Verkörpert war dieses neue höfische Bildungsideal in dem 
ausserordentlich vielseitig begabten, thätigen und strebenden Gottfried Wil¬ 
helm Leibniz (1646—1716, in der Geschichte der Philosophie bedeutend 
durch seine Monadenlehre, die Annahme der „prästabilierten Harmonie“ 
und durch seine Theodicee), der unerschöpflich war in Entwürfen, durch 
staatliche Nutzbarmachung und Organisierung der Wissenschaft die Kultur 
der Menschheit, insbesondere Deutschlands, zu reformieren. Diese modernen 
Anschauungen und zugleich eine entschieden nationale Richtung vertrat im 
Kreise der Universitäten Christian Thomas(ius) 1655—1728, 
der 1687 es wagte, in deutscher Sprache zu lesen, eifriger Bekämpfer des 
Hexenprozesses und der Folter. 1694 wurde die erste moderne Universität 
Halle, 1700 die Gesellschaft der Wissenschaften zu Berlin 
gegründet. In Halle wirkte auch Hermann Francke (1668—1727), An¬ 
hänger des von Philipp Jacob Spener (1685 — 1705) geschaffenen Pietismus, 
der zu Anfang ein praktisches Christentum des Handelns und Fühlens (collegia 
pietatis) der in Formeln erstarrten scholastischen Dogmatik der protestan¬ 
tischen Theologie entgegenstellte. 
Die Feindseligkeit der Konfessionen war mit dem Ende des 30jährigen 
Kriegs noch nicht geschwunden. Aber die Thatsache, dass der lange dog¬ 
matische Streit mit einem Rückgang der Sittlichkeit verbunden gewesen war, 
und die Erinnerung an die Leiden und Greuel des Kriegs schwächten die 
Gefühlswirkungen dieser Feindseligkeit beim Volk, besonders aber bei den 
Gebildeten, immer mehr. Bestrebungen des Helmstädters Georg Calixt 
(f 1656) und seiner Schüler, auf Grund umfassender Forschung über dem 
Unterschied der Konfessionen eine höhere Einheit weniger grosser Funda¬ 
mentalsätze des Glaubens herauszubilden, minderte freilich die Widerstands¬ 
kraft des Protestantismus und führte zum Uebertritt mancher Gelehrten, wie 
sie dem von Angehörigen protestantischer Fürstenhäuser zur Deckung diente. 
Kapitel XVI. 
Das festländische Europa 1648—60. 
§ 57. Frankreich unter Mazarin. 
Mazarin und die Fronde. Nach Richelieus Tode trat an 
seine Stelle der Italiener Kardinal Mazarin. Als Lud¬ 
wig XIII. Mai 1643 starb, sicherte er sich die leitende Stellung, 
indem er der ihm geneigten Anna von Oesterreich (Spanien), dem 
Testament ihres Gemahls zuwider, vermittelst des Parlaments 
unbeschränkte Regentschaft für ihren 1638 geborenen Sohn Lud¬ 
wig XIV. verschaffte. Nachdem eine gegen sein Leben gerichtete
	        
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