122 Das Zeitalter der Kreuzzüge und der Hohenstaufen. § 70.
Heinrichs VI. Tod vom 4. Kreuzzug zurückgekehrt, schloß er sich im staufisch-
welfischen Thronstreit erst an Otto IV., dann auf Philipps Erfolge hin an
diesen an, um sogleich zu Otto zurückzukehren, als den Staufen der Bann
getroffen hatte. Zwar mußte er sich Philipp unterwerfen, der bei den
Städten und dem Adel kräftige Unterstützung fand, aber nach Philipps Er-
mordung huldigte er als einer der ersten wieder dem Welsen. Das hinderte
ihn freilich nicht, sich, nachdem über Otto der Bann ausgesprochen war,
sogleich an Friedrich II. anzuschließen. Der Grund dieser halt- und treu-
losen Politik war die Hoffnung, mit kaiserlicher Hilfe die Selbständigkeit des
Adels zu brechen und die Reichsgüter in Thüringen, namentlich die beiden
Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, zu erlangen; die Folge aber
waren langjährige, furchtbare Kämpfe und Verwüstungen in Thüringen. —
Sein Sohn Ludwig IV., der Heilige (1217 — 1227), der Gemahl der
schon als Kind auf die Wartburg gebrachten und ihm verlobten heiligen
Elisabeth, einer ungarischen Prinzessin, war ein frommer und milder Fürst
und dem Vater fast durchweg unähnlich. An Stelle des lärmenden und üppigen
Hoflebens auf der Wartburg trat stilles Familienglück, an Stelle der Förderung
der Kunst Werke der Frömmigkeit und Nächstenliebe. Mit kräftiger Hand
wahrte er in seinen Ländern Thüringen und Hessen den Landfrieden; an
dem großen Werke der Eroberung Preußens durch den Deutschritterorden
nahm er tatkräftig Anteil; dem Kaiser Friedrich II. war er ein treuer Au-
Hänger und Freund. Aber schon 1227 raffte ihn, als er eben als Teil-
nehmer des 5. Kreuzzuges mit Friedrich zusammen in See stechen wollte,
in Otranto in Apulien die Pest dahin (vgl. § 62). — Für seinen vierjährigen
Sohn Hermann II. übernahm nunmehr sein Bruder Heiurich Raspe die
Regierung. Gleich dem Vater war er weltlicher und kunstfreundlicher ge¬
sinnt als Ludwig IV., aber auch seiner politischen Unzuverlässigst, Härte
und Herrschsucht nach ein Ebenbild Hermanns I. Unbarmherzig vertrieb
er die heilige Elisabeth mit ihren Kindern von der Wartburg. Unter dem
Einfluß ihres Beichtvaters, des finsteren und fanatischen Dominikaners und
Ketzerrichters Konrad von Marburg, auf dessen Betreiben auch in Thüringen
die Ketzerverfolgungen begannen, war ihre Frömmigkeit immer mehr in reli-
giöse Schwärmerei übergegangen. Sie starb, erst 24 jährig, 1231 in Mar¬
burg , das ihr als Witwensitz angewiesen worden war; schon 1235 wurde
sie heilig gesprochen. Da auch Hermann II. schon 1241 starb, blieb Heinrich
Raspe Landgraf. Anfangs kaisertreu und von Friedrich II. sogar zum Reichs-
Verweser für Konrad IV. ernannt, ließ er sich dann unter geistlichem Ein-
flnß 1246 zum Gegenkönig („Pfaffenkönig") aufstellen (vgl. § 64). Sein mit
päpstlicher Hilfe geworbenes Heer behauptete sich zwar anfangs gegen Konrad,
aber schon 1247 starb er.
Thüringer Mit ihm erlosch das Landgrafenhans im Mannesstamme. Um die
Erbfolge- Thronfolge entspann sich zwischen der Gräfin Sophie von Brabant, die als
(1247-1263). Schwester Hermanns II. für ihren Sohn Heinrich das Kind Erbansprüche
erhob, und dem Markgrafen Heinrich dem Erlauchten vou Meißen aus
dem Haufe Wettin, dem Schwestersohne Heinrich Raspes, der Thüringer
Erbfolgekrieg. (Vgl. die Stammtafel S. 121). Heinrich der Erlauchte
war insofern im Vorteil, als ihm fchon Friedrich II. nach Hermanns II. Tode
die Erbfolge in Thüringen, Hessen und der Pfalz Sachsen verbrieft hatte; für
„das Kind von Brabant" dagegen ergriff der größte Teil des Landes und