Spanien im Zeitalter seiner höchsten Machtentfaltung
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überspannt und zersplittert wurden. Während der Kampf gegen die
aufständischen Niederlande unermeßliche Opfer forderte, richtete
Philipp seine Hoffnungen daneben lange Zeit auf den Erwerb von Philipps 11.
England (§ 182 u. 183) und später von Frankreich, in dessen Ange- apgo“e
legenheiten er sich fortgesetzt einmischte (§§ 179 u. 180). Der alte
spanische Haß gegen den Islam führte zu erbittertem Vernichtungs¬
kampfe gegen die noch im Lande wohnenden Moriskos und hieran
schloß sich ein Türkenkrieg. Don Juan d’Austria erfocht bei Lepanto
1571 einen entscheidenden Seesieg über die Osmanen. der deren Macht
zum ersten1 MMFT<^Wer‘'erechütt*erte.
Einen großen Erfolg errang die ruhelos um sich greifende Politik
Philipps II. gegen Portugal. Als hier der König Sebastian im
Kampfe gegen die marokkanischen Mauren erbenlos gefallen war,
erhob Philipp Ansprüche auf das Land und setzte sie durch (1580).
Völlig scheiterte dagegen die Armada (§ 183}.
Das absolutistische RegierungssystemTn Spanien erforderte einen
Monarchen, der wie Philipp II. selbst die Seele des Staates war. Keiner
seiner Nachfolger hat das zu sein vermocht. Philipp III. (f 1621) ließ
sich ganz von seinem früheren Erzieher, dem Grafen Lerma, leiten,
dessen Günstlingswirtschaft und Verschwendung allgemeine Erbitte¬
rung hervorriefen. Verhängnisvoll war die Austreibung von etwa
600000 Moriskos, den fleißigsten Bewohnern des Landes. Philipp IV. Dicspätc-
(t 1665) stand unter dem Einflüsse des tüchtigen und ehrgeizigen rebu?ga«ä'
Olivarez, der durch seine kriegerische Politik Spanien wieder auf die
alte Höhe zu erheben gedachte. Und doch verwickelte er es mit
fast allen Mächten, besonders mit Frankreich, in verlustreiche
Kämpfe; Portugal unter dem Herzog von Braganza gewann seine
Unabhängigkeit wieder (seit 1640). Der schwächliche Karl II. (f 1700)
war ein Spielball der höfischen Parteien; seine Regierung war erfüllt
von Kriegen mit dem eroberungssüchtigen Frankreich, das seine
Grenzen auf Kosten des erschöpften Nachbarstaates vorschob. Mit
Karl erlosch die spanische Linie der Habsburger.
Der Verlust der politischen Vorrangsstellung Spaniens hing nahe
zusammen mit seinem wirtschaftlichen Verfall. Das Erbteil der wirtschaft-
Maurenkriege war abenteuernder Sinn und Arbeitsunlust. Diese wurde NiS&ng
durch die fromme kirchliche Gesinnung der Spanier gesteigert, da es
etwa 120 Festtage im Jahr gab und weitgehende Wohltätigkeit das
Bettlerwesen förderte. Das Zeitalter der Entdeckungen vermehrte diese
Scheu vor ernster Tätigkeit, und der amerikanische Goldstrom schien
Arbeit vollends unnötig zu machen. Er verteuerte aber alle Lebens¬
verhältnisse und führte schließlich die von unerschwinglichen Steuern
gedrückten erwerbenden Stände dem Untergange zu, während die
,,Granden“ und die durch die bigotten Könige mit stets neuer Gunst
überschüttete Kirche maßlose Reichtümer anhäufen konnte. Das
Aufkommen freierer Anschauungen verhinderte die Inquisition, die "sitiou