Der Krieg im Jahre 1806.
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Inzwischen wurde das preußische Heer unter dem Befehle des Herzogs
Karl Ferdinand von Braunschweig gegen den Thüringer Wald
vorgeschoben. Es war in drei Heersäulen eingeteilt, die unter der
Führung des Herzogs, des Fürsten Hohenlohe und des Generals
von Nüchel standen. In den ersten Tagen des Oktobers nahm das Heer
eine Stellung zwischen der Saale und Eisenach ein. Ohne Preußens
Forderungen einer Antwort zu würdigen, zog Napoleon die Truppen,
die er nach dem letzten Feldzuge in Süddeutschland zurückgelassen hatte,
am oberen Main zusammen und überschritt den Thüringer Wald. Am
10. Oktober wurde die Vorhut des Fürsten Hohenlohe unter dem Be-
fehle des Prinzen Louis Ferdinand von Preußen, der in dem Ge-
fechte sein Leben verlor, bei Saalfeld vollständig geschlagen und aus-
einaudergespreugt. In Eilmärschen erreichte die Spitze des französischen
Heeres Naumburg. Auf diese unglücklichen Nachrichten hin befahl der
Herzog, den Rückzug anzutreten, den der Fürst Hohenlohe bei Jena decken
sollte. Unvermutet wurden beide Abteilungen am 14. Oktober angegriffen.
Französische Marschsäulen, bei denen sich der Kaiser selbst befand, hatten
den Landgrafenberg bei Jena erklommen. Als im Nebel des Herbstmorgens
die Preußen gegen diesen vorrückten, entspann sich bei dem Dorfe Vier-
zehnheiligen ein heftiger Kampf. Am Nachmittage war sowohl das Heer-
Hohenlohes als auch das Korps Nüchels, das zu dessen Unterstützung
herangezogen worden war, zurückgeworfen, und beide gingen in voller
Auflösung zurück. Hinter Weimar gerieten die flüchtenden Scharen in
den Rückzug des Hauptheeres hinein.
Dieses war, nachdem es aus Auerstädt aufgebrochen war, auf das
Korps des Marschalls Davoüt gestoßen. Bei Beginn der Schlacht wurde
der Herzog von Braunschweig tödlich verwundet. Am Nachmittage befahl
der König den Rückzug, der am Abend und in der Nacht in zunehmender
Verwirrung ausgeführt wurde. Die Trümmer der preußischen Heeres-
macht suchten Magdeburg zu gewinnen. Schon am 27. Oktober zog Na¬
poleon in Berlin ein.
Das preußische Heer war der neuausgebildeten Gefechtsweise der Fran-
zosen erlegen. Unter Friedrich dem Großen hatte das Heer in Schlachtord-
nnng eine einzige Linie gebildet, die gleichzeitig zum Stoße gegen den Feind
vorgeführt worden war. Seitdem war zwar an der Vervollkommnung
der hierzu notwendigen Bewegungen gearbeitet worden, aber das Heer
war gleichsam eine lebendige Maschine geworden, die mit größter Pünkt-
lichkeit arbeitete; jeder Offizier und jeder Mann hatte seinen festen Platz,
an den er gebunden war. In Frankreich war eine beweglichere Art
der Kriegführung aufgekommen und durch Napoleon zur größten Voll-
kommenheit gebracht worden. Jeder einzelne Teil des Heeres und jeder
Befehlshaber bis zum untersten herab war selbständig gemacht worden,
sollte nach eigener Einsicht handeln und zweckmüßig in das Gefecht ein-
greifen. Dieser Beweglichkeit und Selbständigkeit war das alte preußische
Heer bei mangelhafter Oberleitung in den entscheidenden Stunden erlegen.