Full text: Die wichtigsten Begebenheiten der Neuzeit, insbesondere der preußisch-deutschen Geschichte seit 1648 (Teil 6)

§ 71. Der Krieg des Jahres 1807. Der Friede zu Tilsit. Das Königreich Westfalen. 123 
der dritten Teilung Polens, d. h. mehr als die Hälfte seines bis- 
herigen Besitzstandes. Er umfaßte nur noch 158000 qkm mit 5 Millionen 
Einwohnern. Mehrere feste Plätze blieben bis zur Bezahlung der Kriegskosten, 
deren Höhe zunächst noch nicht angegeben, später mit scheinbarer Milde auf 
126 Millionen Franken berechnet wurde, in den Händen der Franzosen. 
Der Staat Friedrichs des Großen hörte auf, eine Großmacht zu sein. 
Um endlich auch England zu treffen, hatte Napoleon im November 
1806 zu Berlin die Festlandsp erre verhängt. Der Handel mit eng- 
tischen Waren wurde verboten, und alle festländischen Häfen sollten eng- 
tischen Schiffen gesperrt sein. Richtig war dabei die Grundanschauung, 
daß Englands Stärke in dem Aufschwünge seines Handels und Gewerbes 
liege. Wie sehr die Industrie schon damals auf englischem Boden den 
Grundton des öffentlichen Lebens abgab, zeigt die Tatsache, daß schon 
vor der Französischen Revolution Adam Smith die gütererzeugende 
Arbeit als die Grundlage wirtschaftlicher Blüte (im Gegensatz zu den 
Merkantilisten und Physiokraten) bezeichnet und dabei Freiheit der Güter- 
erzengung gefordert hatte („Jndnstrialismus"). 
Aber jene Sperre konnte nicht durchgeführt werden, und der gefähr- 
liche, aber einträgliche Schmuggelhandel warf dem englischen Kaufmanne 
ungeheure Gewinne ab. 
Im Frieden zu Tilsit erklärte sich Alexander bereit, die Schöpfungen 
Napoleons anzuerkennen und seine Vermittlung zu einem Friedensschlüsse 
mit der Türkei anzunehmen; auch versprach er, wenn ein Friede zwischen 
England und Frankreich nicht zustande komme, der Sperre beizutreten. 
Rußland behielt seinen Anteil aus den polnischen Teilungen. Die ehe- 
maligen polnischen Landesteile Preußens fielen als Herzogtum Warschau 
an König Friedrich August von Sachsen. Danzig wurde Republik 
und erhielt eine französische Besatzung. 
Nach dem Frieden verschmolz Napoleon die von Preußen abgetretenen 
linkselbischen Provinzen mit Hessen-Kassel, Braunschweig und einem Teile 
Hannovers zum Königreich Westfalen mit der Hauptstadt Kassel 
und übertrug seinem Bruder Jeröme die Krone; doch kam Bayreuth an 
Bayern, Ostfriesland an Holland und die Grafschaft Mark an das Groß- 
Herzogtum Berg. Bei dem leichtfertigen Zuschnitt des Kasseler Hoflebens 
und der weitern Entfernung vom französischen Hauptlande konnte die 
Förderung des wirtschaftlichen und bürgerlichen Lebens sich hier nicht so 
geltend machen wie in den Rheingebieten; auch wurden die westfälischen 
Gebiete infolge ihrer Lage viel stärker von der Festlandsperre betroffen 
als die übrigen Rheinbundstaaten, zumal da die Rheingrenze durch Zölle 
belastet war. Immerhin war die rechtliche Gleichstellung aller Bürger, 
besonders bezüglich der (gerade in Westfalen verwickelten) gutsherrlich- 
bäuerlichen Verhältnisse, nicht ohne wohltätige Folgen. Übrigens wurde 
schon 1810 der größte Teil des Münsterlandes wieder abgetrennt, als 
die ganze Nordseeküste mit ihrem Hinterlande zur schärferen Handhabung 
der Sperre in unmittelbaren französischen Besitz überging.
	        
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