§136.
England im 19. Jahrhundert.
221
der Kornzölle; seitdem hat die englische Bevölkerung zwar billige Ge-
treidepreise infolge starker überseeischer Einfuhr, aber die kleineren und
mittleren landwirtschaftlichen Betriebe verschwanden, und die ländliche Be-
völkerung verminderte sich stark durch Abwanderung nach den Städten
oder in überseeische Gebiete, während die größeren Betriebe zur Weide-
Wirtschaft und Viehzucht übergingen.
Im Jahre 1848 brach die Chartistenbewegung aus; der Versuch,
durch eine Masseneingabe an das englische Unterhaus das allgemeine
Wahlrecht einzuführen, blieb ohne Erfolg.
Später beschäftigten die irischen Unruhen das Parlament. Da der
Grund und Boden Irlands in englischen Händen war und an Iren zu
ungünstigen Bedingungen verpachtet wurde, entstand in der Bevölkerung
eine große Notlage, die zu massenhafter Auswanderung nach den Kolonien
führte und unaufhörlich Unruhen im Lande hervorrief. Endlich bildeten
die irischen Abgeordneten im Unterhause eine geschlossene Partei, die
zwischen Whigs und Tories zuweilen den Ausschlag gab; es mußte daher
jeder Regierung daran liegen, sie zu gewinnen. Die irischen Zustünde
versuchte Gladstone durch die irische Landbill zum Schutze der Pächter
zu heilen, ohne jedoch einen vollen Erfolg zu erzielen. Als er später,
um die Wünsche der Iren zu befriedigen, den Gefetzesautrag stellte, Irland
eigenes Recht und eigene Verfassung (Home rule) zu gewähren, konnte er
die Mehrheit des Hauses nicht gewinnen. — Neuerdings hat es nicht an
Versuchen gefehlt, die rechtliche Stellung des Oberhauses zu erschüttern.
Auswärtige Angelegenheiten. In der ersten Hälfte des neun-
zehnten Jahrhunderts erweiterte England seinen süd- und" ostasiatischen
Besitz, drang in Vorderindien bis ins Pandschab vor und begann
die immer schwierigen, nicht immer siegreichen Kriege gegen das tapfere
Gebirgsvolk der Afghanen. Es faßte Fuß an der Westküste von Hinter-
indien, nötigte China, seine Grenzen dem verderblichen Opiumhandel zu
öffnen, und erwarb Hongkong.
Zur Zeit des Krimkrieges wurde die englische Herrschaft in Indien
durch den furchtbaren Aufstand der Sepoys in Frage gestellt, es gelang
erst nach mehrjährigen Kämpfen, ihn niederzuschlagen. Im Zusammen-
hange damit wurden die Vorrechte der Ostindischen Kompanie auf-
gehoben und die Verwaltung des Landes der Krone übertragen. Die
Königin nahm 1876 den Titel einer Kaiserin von Indien an.
In den Jahren 1857—1860 kämpfte England an der Seite Frank-
reichs gegen China, wo man die früheren Handelsverträge verletzt hatte,
ja z. B. in Kanton zu offenen Feindseligkeiten geschritten war. Im Ver-
trage zu Tientsin wurde dem europäischen Handel Zutritt in China
gewährt, und christliche Mifsionen wurden zugelassen. Da dieser Vertrag
nicht gehalten wurde, rückten englisch-französische Truppen nach Peking,
lieferten die Schlacht bei Palikao, eroberten und zerstörten den kaiser-
lichen Sommerpalast und erzwangen die Bestätigung des Vertrages von