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Lebensweise des Königs. — Die erste Teilung Polens.
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was er selbst einmal am Ende seines Lebens, im bewußten Gegensatz zu
Ludwig XIV., bemerkte: „Indem ich das Geistesleben der Deutschen seine
eigenen Wege gehen ließ, habe ich ihnen mehr gegeben, als wenn ich
ihnen eine Literatur gemacht hätte." Statt dessen haben seine Taten, so
urteilte kein anderer als Goethe, „der deutschen Poesie den ersten wahren
und höheren eigentlichen Lebensgehalt gegeben". Er hat dem National-
gefühl eine neue Bahn geschaffen.
Seine Tagesarbeit und Arbeitseinteilung war das ganze Jahr hin-
durch streng geregelt. Im Sommer besuchte er die Provinzen, nahm die
aus Staatskosten unternommenen Arbeiten und Verbesserungen in Augen-
schein und besichtigte die Truppen. Im Winter bezog er das Stadtschloß
zu Potsdam, einige Monate wohnte er zu Berlin. Das Neue Palais,
das er nach dem Siebenjährigen Kriege erbaute, hat er nur selten benutzt.
Außer durch diese Schloßbauten hat er auch sonst die bildende Kunst, z. B.
durch Ausschmückung seiner Schlösser, unmittelbar gefördert; aber das
Wichtigste war doch auch hier die Anregung, die von seinem gewaltigen
und zugleich auch kunstverständigen Geiste ausging.
§ 47. Die erste Teilung Polens (1772). Polen befand sich in
der Mitte des 18. Jahrhunderts in vollständigem Versall. Die staat-
liche Macht lag in den Händen eines beständig in sich uneinigen Adels,
ein Bürgertum hatte sich nicht entwickelt, die Bauern waren leibeigen.
Nur die katholische Religion war staatlich anerkannt: die Andersgläubigen,
d. h. die Protestanten und die Griechisch-Katholischen, hatten keine poli-
tischen Rechte.
Allmählich hatte Rußland seinen Einsluß in Polen immer stärker
zur Geltung gebracht, und die kluge Kaiserin Katharina II., die Nach¬
folgerin Peters III., strebte danach, die Republik in einen russischen
Schutzstaat zu verwandeln. Sobald ihr Günstling Stanislaus
Poniatow ski zum König erhoben worden war, wurde an den Reichstag
der Antrag gestellt, den Andersgläubigen freie Religionsübung und Zutritt
zu den öffentlichen Ämtern zu gewähren. Die Zurückweisung dieses An-
träges rief den Zusammenschluß der feindlichen Parteien zu zwei Adels-
bündnissen und endlich den offenen Bürgerkrieg hervor. Diese Wirren
gaben Rußland Gelegenheit, seine Truppen in Polen einrücken zu lassen.
Nim mischte sich auch die Türkei ein und griff Rußland an, erlitt aber
hierbei die schwersten Niederlagen.
Da die Erfolge der russischen Waffen den Nachbarmächten, ins-
besondere Österreich, große Besorgnisse einflößten, so drohte ein enro-
päischer Krieg auszubrechen. Jofeph II. von Österreich näherte sich
Friedrich dem Großen, mit dem er mehrfach zusammenkam; die Tei-
luug Polens bot sich ihnen als ein Ausweg, der Gefahr des Krieges
zu entgehen. Sie wurde bald darauf durch die drei Nachbarmächte voll-
Pfeifer, Geschichte. VI. B. g