Full text: Die wichtigsten Begebenheiten der Neuzeit, insbesondere der preußisch-deutschen Geschichte seit 1648 (Teil 6)

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Das Zeitalter der Revolution. 
II. Das Zeitalter der Revolution. 
Allgemeine Übersicht. 
Während des 17. und 18. Jahrhunderts (in denen sich die großen 
Mächte Europas ausgebildet hatten) herrschte in allen großen Staaten 
des europäischen Festlandes das unumschränkte Königtum. Das König- 
tum bildet eine starke Staatsgewalt aus, schafft, erweitert, sichert das 
Staatsgebiet, zwingt im Innern die Widerstrebenden zum Gehorsam, stellt 
Frieden und Ordnung her, fördert den Wohlstand. Aller Fortschritt, alle 
Verbesserung wird von der Regierung erwartet, die Alleinherrschaft 
ist der staatliche Leitgedanke des Jahrhunderts. Ein König wie Friedrich II. 
schien den aufgeklärtesten Geistern der Zeit das Vorbild eines Herrschers zn 
verwirklichen. Überall beruht die Herrschaft auf dem eigenen Rechte des 
Herrschers, sie gilt als nicht übertragen, der Herrscher ist für die Führung 
seines fürstlichen Amtes niemand verantwortlich. Seine Gewalt ist un- 
bedingt, sie ist in ihrer Betätigung an niemandes Zustimmung oder Mit- 
Wirkung gebunden. 
Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts bringt eine völlige Um- 
wälzung der bis dahin herrschenden Meinung. Es kommt eine Anschau¬ 
ung auf, die der bisher geltenden widerspricht und in der Volksherr- 
schaft und dem Freistaat, der „Republik", das Ideal der Verfassung 
sieht. Sie wird von Jean Jacques Rousseau vertreten. 
Rousseau geht von der Behauptung aus, daß der Mensch von Natur 
gut sei, aber durch die Kultur verdorben werde. Rückkehr zur Natur! 
ist seine Losung. Eine gute Losung, aber der sie erhob, hatte selbst ettte 
falsche, auf vorgefaßter Meinung beruhende Anschauung von der Natur, 
d h. von dem ursprünglichen, durch keine Entartung getrübten Zustande 
der gesellschaftlichen und staatlichen Ordnung. Gleichheit herrschte nach 
ihm von Natur unter den Menschen; aber die Absonderung von „Eigen- 
tum" hat sie untergraben. Freiheit war demgemäß ein ebenso ursprüng- 
liches Menschenrecht. Der Staat sei nur hervorgegangen aus dem freien 
Entschlüsse der Bürger und beruhe aus einem Vertrage, den ste unter- 
einander geschlossen! durch Kündigung dieses Vertrages könne der Staat 
also auch wieder aufgehoben werden. Die gewalttätige Selbstherrüchkeit 
des Königtums sei ein unerträglicher Mißbrauch der Staatsgewalt und 
sei nicht geeignet, den Menschen zu dem zu machen, der er von Natur sein 
solle. Da aber die Menschen von Natur alle gleich gut seien, so brauchten 
sie nur von den Schranken, die sie drückten, frei zu sein, um ihre uatür- 
liche Anlage zur Güte und brüderlichen Gesinnung zu betätigen, ^n 
Zukunft müsse daher die Freiheit durch die Republik, in der das Volk 
sich selbst beherrsche, verbürgt werden. Kurz: alle Staatsgewalt 
stamme vom Volke, werde von ihm übertragen, könne von ihm genommen 
werden — nur das Volk habe selbständige Macht, sei „souverän".
	        
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