§ 139. Die griechische Welt. 248 
er dem geliebten Freunde in Babylon veranstaltete, war eine der letzten Hand¬ 
lungen des Helden. Noch war seine Trauer um den Jugendfreund nicht vor¬ 
über, als ein durch Aufregung und Unmäßigkeit herbeigeführtes hitziges Fieber 
feine längst geknickte Lebenskraft brach und ihm, mitten unter großen Entwürfen 
zu neuen Eroberungen in Arabien, im Gartenpalaste Nebukadnezars einen >«*323 
schnellen Tod brachte, ehe er eine genaue Bestimmung über feine Nachfolge 
getroffen. Auf die Frage, wem er fein Reich hinterlasse, soll er geantwortet 
haben: „dem Würdigsten". Die Mutigen Kämpfe, die nach feinem Hinscheiden 
ausbrachen, verhinderten die Bestattung. Erst im nächsten Jahre wurde die 
Heldenleiche auf einem prachtvollen Leichenwagen von Babylon weggeführt, um 
nach der Königsgruft iu Aegä gebracht zu werden. Aber Ptolemäos, Statt¬ 
halter von Aegypten, beredete den Führer des Trauerzugs, ihm die theuern 
Ueberreste zu überlassen, und ließ sie in Alexandria beifetzen, um dem Nlllande 
den „segnenden Schutzgott" zu erhalten. Alexander blieb der Held der Dichtung 
und Sage im Morgenland und Abendland. Der romantisch-abenteuerliche 
Grundzug seiner Natur, welcher das Fernste als nahe und erreichbar erschien, 
für die das Ungewöhnliche und Seltsame allein Reiz hatte; feine Begeisterung 
für die untergegangene Homerische Heroenwelt, die er aus dem dichterischen 
Helldunkel in die Wirklichkeit ziehen und neu beleben wollte, der Zauber eines 
Jugendlebens voll ununterbrochener Heldenthaten und großartiger Unternehmungen 
erfüllten die Mt- und Nachwelt mit staunender Bewunderung, und je rascher 
das glänzende Gestirn vorüberging, in desto verklärterem Lichte erschien den 
spätern Geschlechtern die Heldengestalt. 
§. 139. Durch Alexanders Eroberungszüge tarn griechische Cultur und Sprache 
und europäische Regsamkeit über das Morgenland, so wie hinwieder orientalische Schätze, 
Weichlichkeit und Schlemmerei in Griechenland und Makedonien eingeführt wurden und die 
sittliche Kraft daselbst zerstörten; daher ward fortan Kleinasien und Aegypten der Mittel¬ 
punkt aller geistigen und literarischen Bestrebungen, alles Verkehrs und Gkwerbfleißes, wäh¬ 
rend das hellenische Land, dessen Bildung und Sprache allmählich das ganze alexandrinische 
Weltreich durchdrang, im Innern nur noch mit der Nachblüthe seiner Kunst, mit den 
Schätzen seiner geistigen Errungenschaft und mit seinen alten Erinnerungen glänzen tonnte. — 
Die Länder- und Völkerkunde wurde erweitert und berichtigt und ein neues kunst¬ 
volleres Kriegswe f en mit Benutzung mathematischer Wissenschaften begründet Doch 
war die Anwendung von Elephanten, die seit dem indischen Feldzuge im Kriege ge¬ 
bräuchlich wurden, wieder ein Rückschritt zur Unbeholfenheit des Orients. Durch das 
Netz von Colonien, das Alexander über ganz Asien ausbreitete, bekam der Handel und 
Verkehr einen Aufschwung und eine Ausdehnung, wie er sie vorher nie besessen. Die 
empirischen und praktischen Wissenschaften, namentlich die Mathematik, 
Mechanik und Naturgeschichte, auf deren Bereicherung und Ausbildung Alexander 
große Summen verwendete, erhielten eine neue Gestalt und eine breitere Grundlage; da¬ 
gegen stieg die Kunst und schöne Literatur immer mehr von ihrem Höhepunkt herab, so sehr 
auch der große makedonische Held beiden seine Liebe und Aufmerksamkeit widmete und durch 
reiche Gaben Künstler, Dichter und Schriftsteller zu unsterblichen Werken anzufeuern bemüht 
war. Die bildende Kunst erhielt sich zwar noch auf ihrer technischen Höhe (§. 127), allein 
der Einfluß des Orients mit seiner Vorliebe für das Colossale, Phantastische und Ueber 
ladene machte sich bald bemerkbar (Coloß von Rhodos), und die echte P o e s i e, die eine Gabe 
der Götter ist, vermag kein Sterblicher durch äußere Mittel vorn Himmel herabzulocken. 
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