88 Friedrich Wilhelm I. von Preußen.
er mit seinen Generälen bei Lirnbecker Vier sich an derben wachtstuben-
späßen ergötzte. Zwei wichtige Einrichtungen gab er dem Staate: die
Wehrpflicht in Form des sog. Kantonsfyftems, wobei unter gewissen
Einschränkungen namentlich der Landbevölkerung, dann aber auch den
Städten die militärische Dienstpflicht auferlegt wurde, und die allgemeine
Schulpflicht. Durch die erstgenannte Maßregel hob er den Stand des
Heeres auf 83000 ZTtann, so daß von allen europäischen Staaten Preußen
nach Frankreich, Rußland und Österreich die meisten Soldaten ins Feld
stellte. Sein ,,Regiment der langen Kerle" ließ er sich, entgegen seinen
sonstigen Grundsätzen, ein schönes Stück Geld kosten. Kunst und Wissen¬
schaft schätzte er gering. Dagegen zeigte er echte und tiefe Religiosität.
Den Salzburger (Emigranten, die wegen ihres protestantischen Glaubens
vom Erzbischof Firmian (1731) vertrieben wurden, gewährte er gern eine
Zuflucht und siedelte sie in Ostpreußen an. Den Bauern bewies er sein
landesväterliches Wohlwollen, indem er, wenigstens auf den königlichen
Domänen, die Erbuntertänigkeit aufhob. Hts Friedrich Wilhelm I. 1740
starb, hinterließ er seinem Sohne ein starkes, wohlgeübtes Heer und gefüllte
Kassen und setzte ihn dadurch in den Stand jene großzügige Politik zu ver¬
folgen, durch die Preußen in wenigen Jahrzehnten den alten Monarchien
Europas als ebenbürtige Macht an die Seite trat.
wie öer Große Kurfürst einen trefflichen Heerführer im Marsch all Derff-
Iinger besaß, so Friedrich Wilhelm I. im Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau,
„dem alten Dessauer". Dieser führte den eisernen Ladstock ein, öer ein rascheres
Feuern ermöglichte, unö gab Öen preußischen ©renaöieren jene Strammheit,
mit öer sie auf öem Schlachtfelö im feinölichen Kugelregen ihre Bewegungen
ebenso genau vollzogen wie öaheim auf öem Exerzierplatz.
Friedrich II. der Große.
Frieörichs Jugenö. Frieörich wurde am 24. Januar 1712 im könig¬
lichen Schlosse zu Berlin geboren. Sein Vater, obwohl von grunddeutscher
Gesinnung, machte dennoch der Zeitmode das folgenschwere Zugeständnis,
daß er die Erziehung und Bildung des Sohnes vornehmlich in französische
Hände legte. Seine Erzieherin war die Hofdame von Rocoulles, eine
hugenottin, sein einflußreichster Lehrer Duhan de Jandun, ein vielseitig
gebildeter Mann, der seinem Zögling trotz der Schranken, die ihm durch
die Vorschriften des Königs gezogen wurden, jene Vorliebe für französische
Sprache und Literatur beizubringen wußte, die diesem zeitlebens eigen
war. Der Vater hatte selbst den Lehrplan festgesetzt: kein Latein, Ge¬
schichte nur vom westfälischen Frieden an; reichlich Zeit wurde demReligions-