172 Das römische Kaisertum. Von Augustus bis Romulus Augustulus.
wurde daher der rätische Grenz wall (limes rhaeticus) genannt.
Dann wandte sie sich (bei Lorch in Württemberg) im rechten Winkel nord¬
westlich und hieß der überrheinische Grenzwall (limes transrhena-
niis), trat in den Odenwald (bei Mudau) ein, setzte sich jenseits des Mains
(bei Aschaffenburg) fort, schwenkte zum Taunusgebirg und endete jenseits
der Lahn am Rhein (nahe bei Neuwied). Ihr Lauf war schnurgerade auf
der Ebene wie auf und. über Anhöhen, und wie die Reste zeigen, betrug
die Dicke des Walls gewöhnlich 3 m, seine Höhe auf der Außenseite
5 m; von 300 zu 300 m war er mit Wachthänschen besetzt, an geeigneten
Stellen mit gemauerten Türmen, deren Unterbau oft noch gut erhalten
ist. Rückwärts von dem Walle waren besonders auf Anhöhen Kastelle
und Warttürme angelegt, welche durch Signale miteinander korrespon-
dierten, am Tage z. B. durch Rauchsäulen, nachts durch Feuerzeichen,
und die Römer verstanden es bereits, durch die Zusammenstellung und
Bewegung einer Anzahl Fackeln ganze Sätze zu telegraphieren.
Die Mannschaft, welcher die Wache und die Verteidigung des Grenz-
walles anvertraut war, bestand teils aus Legionssoldaten, teils aus den
Kohorten der Hilfstruppen, die oft ans den entferntesten Gegenden des
römischen Reiches hierher verlegt waren, z. B. aus dem spanischen Asturien,
aus dem gallischen Aquitanien u. s. w., wie aufgefundene Inschriften
bezeugen. Überdies waren in dem Grenzlande viele Militärkolonisten
angesiedelt, nämlich verabschiedete Soldaten, denen Grundstücke zur Nutzung
angewiesen würben; dieselben eilten auf ihre Sammelplätze, wenn die
Alarmsignale von den Warttürmeu gegeben wurden, und verstärkten die
Soldaten. Da durch das ganze Land alle Waffenplätze durch eine Reihe
korrespondierender Türme in Verbindung standen, so gelangte die Nach-
richt von einem Angriffe des Feindes in sehr kurzer Zeit an die Befehls-
Haber des Rhein- und Donauheeres, welche die immer bereit gehaltenen
Legionen in wenigen Tagmärschen auf die bedrohten Punkte führen
konnten. Das Dekumatenland war wie jede römische Provinz mit Straßen
durchschnitten, die mit besonderer Rücksicht auf die Kriegführung angelegt
waren. Eine Römerstraße war wenigstens 4 m breit; der Straßenkörper
war ein Damm (wie bei unfern Eisenbahnen), dessen Grundlage aus
großen, unten keilförmig zugehauenen, mit Kalk oder Gips verbundenen
Steinen bestand; darauf folgte ein Lager von festgestampftem Lehm und
Sand, dann als eigentliche Fahrbahn eine Lage von Kies oder kleiner,
mit Mörtel fest zusammengekitteter Steine mit einem Beschläge von Kalk
und Sandsteinen, je nachdem die Gegend das Material lieferte. Zur
Sicherung der Straßen waren von Strecke zu Strecke Türme gebaut;
die marschierenden Soldaten hatten ihre Stationen in Dörfern und
Städten, die entlang der Straße angelegt waren, oder in eigenen zu