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Rückblicke.
christlichen Staaten furchtbar zu sein, verschwanden die Raubflotten der
Barbaresken von dem Mittelmeere und wurde es den Europäern möglich,
in Amerika und Asien weite Länder zu erobern und Kolonialreiche zu
gründen. Nach den Entdeckungen des Kolumbus, Vasco de Gama be-
gann die neue und zwar die europäische Völkerwanderung,
welche noch jetzt und in noch größerem Umfange fortdauert; sie zer-
trümmert aber nicht, gleich der alten Völkerwanderung, eine Kulturwelt,
sondern trägt die christliche KHur in die Wildnisse Amerikas und
Australiens, sowie in die Ruinen des alten Asiens und gestaltet die
Geschicke der Völker um.
Der Aufschwung der europäischen Völker zeigte sich nicht nur in den
großen Feldherren, Seefahrern und Staatsmännern, sondern in dem
ganzen weiten Kreise der geistigen Thätigkeit. In Spanien dichtete
Lope de Vega (f 1635), Calderon de la Barca (f 1681),
Cervantes Saavedra (f 1616), die portugiesischen Heldenfahrten
nach Afrika und Indien besang Camoöns (f 1580). Unter Königin
Elisabeth erhob sich zum Könige des neuen Drama William Shake-
speare (f 1616), unter Karl I. dichtete Milton (f 1674) „das
verlorene Paradies"; diesen folgten Dichter wie Dryden (f 1701),
Pope (f 1744), Thomson (f 1748) u. a., so daß die englische Li-
teratur, die poetische wie die prosaische, als die größte der neuen Zeit
dasteht. Von der Blüte der französischen Litteratur ist oben (S. 97) die
Rede gewesen, sie erhielt infolge der politischen Bedeutung Frankreichs
einen nur zu großen Einfluß auf die Völker Europas. In dem miß-
handelten und zerrütteten Deutschland war freilich eine poetische Erhebung
lange nicht möglich; von der unzerstörbaren Kraft des deutschen Geistes
zeugten jedoch die religiösen Lieder des Jesuiten Friedrich von Spee
(f 1635), sowie des Angelus Silesius (f 1677), während gleich¬
zeitig Paul Gerhardt (f 1676) die besten protestantischen Kirchen-
lieber dichtete; auch die Namen Flemming (f 1640), Gryphius
(f 1664), Opitz (f 1639) und Loga« (f 1655) dürfen nicht ver¬
gessen werden. Eine matte und flache Zeit bezeichnet Gottsched (f 1766),
dem die Schweizer Breitinger und Bodmer entgegentraten, welche
auf die mittelalterliche deutsche Poesie hinwiesen. Die klassische Zeit
der deutschen Litteratur begann mit G. E. Lessing (f 1781),
Klopstock (f 1803), Winckelmann (f 1768), Herder (f 1803),
Bürger (f 1794), Hölty (f 1776), Christian und Leopold von
Stolberg (f 1821, 1819), Wieland (f 1813), Schiller (f 1805),
Göthe (t 1832).
§ 91. Um die Ausbildung der mathematischen und physi-
kalischen Wissenschaften machten sich besonders verdient Kepler