Full text: Deutsche und preußische Geschichte von Friedrich dem Großen bis zur Gegenwart (Teil 4)

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Neunter Zeitraum. Von 1858 bis zur Gegenwart. 
§116. 
bei eintretender Invalidität und ohne solche nach Vollendung des 
70. Lebensjahres eine Rente. 
Durch den ErlaTs vom 4. Februar 1890 erklärte Kaiser Wil¬ 
helm II., auf dem Wege der Sozialreform weitergehen zu wollen. 
Im nächsten Jahre wurde ein neues Arbeiterschutzgesetz be¬ 
sonders zum Schutze der Kinder und jugendlichen Arbeiter erlassen. 
6. Die Wirtschaftspolitik. 
Teils die Notwendigkeit die durch die sozialpolitischen Gesetze 
entstandenen Ausgaben zu decken, teils die Rücksicht auf die 
Hebung der deutschen Industrie führten einen Umschwung der 
Wirtschaftspolitik herbei. Während bis 1879 vorwiegend frei¬ 
händlerische Grundsätze herrschten, ging die Regierung seitdem 
zu Schutz- und Finanzzöllen auf Industrie- und landwirt¬ 
schaftliche Erzeugnisse über. Dadurch wurden die Einnahmen 
des Reiches aufserordentlich gesteigert, und das kam auch den 
Einzelstaaten zu gute. 
Preufsen gewann auf diese Weise und durch die Über¬ 
schüsse der Eisenbahnverwaltung — Bismarck setzte den Ankauf 
der meisten Privatbahnen durch den Staat durch — die Möglich¬ 
keit, die kleinsten Einkommen bis 900 Mark ganz frei von direkten 
Staatssteuern zu lassen und auch den nächstfolgenden Steuer¬ 
stufen einen Teil der Steuer zu erlassen. Durch die Steuerreform 
von 1891, durch welche die kleinen Einkommen entlastet, die 
gröfseren stärker belastet werden und jeder zur wahrheitgemäfsen 
Angabe seines Einkommens (Deklarationspflicht) veranlafst wird, 
hat Preufsen die beste Steuerverfassung erhalten, welche gegen¬ 
wärtig überhaupt existiert. 
Gewerbe, Handel und Verkehr nahmen im Deutschen 
Reiche einen grofsartigen Aufschwung. Für den Verkehr wurde 
von höchster Bedeutung die Gründung des Weltpostvereins, ein 
Werk Stephans. Die deutsche Industrie begann selbst die eng¬ 
lische zu überflügeln. Um dem Handel neue überseeische Absatz¬ 
gebiete zu schaffen oder die alten zu sichern, entschlofs sich die 
Reichsregierung, die Kolonialthätigkeit kaufmännischer Ver¬ 
einigungen zu unterstützen. In West- und Ostafrika und in der 
Südsee wurden weite Gebiete erworben und unter deutschen
	        
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