110. Das Erzgebirge.
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rschweren Feld- und Gartenbau, und rauhes Klima vereitelt in den
höchsten Gegenden nicht selten die größten Anstrengungen des Land—
Nannes. Der Felder bester Segen sind Hafer, Lein und Erdäpfel.
Letztere, welche man vor etwa 100 Jahren statt Butter zu Brote aß,
bertreten jetzt nicht selten dessen Stelle und sind die wahre Brot—
frucht des Erzgebirges, welche oft nur mit Salz, seltener mit Butter
der Leinöl dem Armen Morgen-, Mittag- und Abendbrot giebt. Gar
It zählt man sie den Kindern wie Leckerbissen zu, und sich daran satt
ssen zu können, ist mancher Familie eine wahre Erquickung. Ohne
betreidezufuhr aus Böhmen und den angrenzenden Provinzen würde
der arme Erzgebirger oft hungern müssen, obgleich er mit unglaublicher
Unstrengung der Erde abzuzwingen sucht, was sie ihm versagt. Berg—
bhänge bepflügt er, die der Bewohner der Ebene kaum erklettern kann;
hras mäht er auf Höhen, wo ein Fehltritt ihn verunglücken läßt; Heu
volt er mitten im Sommer auf Schlitten, wo er mit Wagen nicht fort—
Ammen kann. Mit Centnergeduld liest er Steine von den Feldern,
und doch wird ihm meist nur dürftige, oft gar keine Ernte zu teil.
Der Erzgebirger ist zufrieden mit wenigem, treuherzig im Umgange
und sehr arbeitsam. Mühsamer wird nirgends der Landbau betrieben
und frühzeitiger wohl nirgends die Jugend zur Arbeit angehalten. Mit
dem 5. bis 6. Jahre schon hilft das Kind verdienen in der Klöppel—
kube, wie am Spinnrocken und in der Hütte. — Eigen sind ferner dem
zgebirger, gleich dem Tiroler und Savoyarden, das gewerbfleißige
Vandern in ferne Gegenden und die doch ewig lebende Sehnsucht nach
en Bergen und Thälern der Heimat. Den Strichvögeln gleich ziehen
us manchen Gegenden im Frühjahre hunderte mit Bändern, Spitzen,
blechwaren, blauer Farbe u. s. w. in alle Länder deutscher Zunge,
n der Schweiz bis nach Rußland. Zum Winter aber kehrt fast alles
leim, um, umnebelt von Hütten- und Hochöfendampf, nicht selten in ver—
ueiter, ärmlicher Wohnung den sauer erworbenen Verdienst mit Weib
ind Kind zu verzehren.
Dichte Nebel, welche höchstens in der Mittagsstunde weichen, kün—
ihen dem Erzgebirger den Winter an, der ihm gewöhnlich in der
ürchterlichsten Gestalt erscheint; denn wochenlang schneit es in einem
bri ja wohl in einer Nacht so, daß man sich aus den Häusern schaufeln,
isweilen sogar aus dem Dache steigen muß, um einen Gang zur
dausthure oder Gucklöcher für die Fenster der Unterstuben, die meist
isteren Kellern gleichen, zu schaffen. 2 bis 4 Meter hoher Schnee ist