Full text: Geschichte des Mittelalters (Theil 2)

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Klosterleben in seiner Blüthe ein lebendes Zengniß gegen die 
ringsum in der Welt herrschende Ueppigkeit und Sinnlichkeit, 
ein vorleuchtendes Muster aufopfernder Frömmigkeit und eine 
beständige Mahnung an ein höheres Leben. Zugleich waren 
damals die Klöster die Pflanz- und Pflegstätten der Bildung, 
der Wissenschaft und Kunst. Aus den Zellen der Mönche ver- 
zweigten sich die Wissenschaften in's öffentliche Leben. 
61. Zustand der Künste und Wissenschaften. 
Sobald der Mensch der Sorge für die uöthigsten Bedürfnisse 
des Lebens überhoben ist, so erwacht auch allmälig sein natür- 
liches Gefühl für das Schöne, sein Gefallen an höheren geistigen 
Verrichtungen, die das Leben erheitern und veredeln. Unter 
diesen stand im Mittelalter die Dichtkunst oben an und wurde 
vorzüglich vom Adel gepflegt. Sie war ihm eine süße Erholung 
von den ernster^ Sorgen des Tages, von dem wilden Getümmel 
der Schlachten. Auf die Entwicklung dieser schönen Kunst hatten 
die Kreuzzüge den wirksamsten Einfluß. In dem fernen Morgen¬ 
lande wurde der Kreuzfahrer durch die seltsamsten Erscheinuu- 
gen wunderbar überrascht. Die heiligen Orte, wo einst der 
Erlöser wandelte, die Pracht und der Reichthum des Orients, 
die wunderbaren Irrfahrten frommer Pilger, die vielen Aben- 
teuer der Ritter, dann auch die Sehnsucht nach den theuren 
Zurückgebliebenen, dieses und manches andere regte mächtig 
den Geist auf und bot zu Dichtungen den reichhaltigsten Stoff. 
Wahre Begebenheiten wußte die aufgeregte Einbildungskraft 
mit reizenden Mährchen aller Art auszuschmücken. 
Die Minnesänger. — In den anmuthigen Thälern 
des südlichen Frankreichs und Spanien, wo die Einbildungs- 
traft der Bewohner feurig ist, wie der Himmel, unter welchem 
sie leben, trieb die Dichtkunst ihre ersten Blüthen. Mau nannte 
den Dichter Troubadour, weil er Erfinder einer besonderen 
Gesangweise war. *) Und weil der Gesang vorzüglich in der 
*) Bon bem französischen Worte trouver, erfinden.
	        
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