144 Mittlere Geschichte.
ettte Erscheinung sie zur Retterin Frankreichs berufen
habe, Orleans solle entsetzt und Karl in Rheims gekrönt
werden. Sie rvitrbe an die Spitze des Heeres gestellt und
entflammte dasselbe; die Engländer warfen in panischem
Schrecken die Waffen weg, und Karl konnte triumphirend
in Orleans einziehen. Eine Stadt nach der andern wurde
unter der muthvollen Anführuug der Jungfrau, die mitten
in das Schlachtengewühl sich wagte, erobert; und endlich
hatte Karl die Frende, in Rheims einzuziehen und ge¬
krönt zu werden (1430). Johanna wollte jetzt zurück-
treteu; aber man nöthigte sie, beim Heere zu bleiben.
Das Jahr daraus wurde sie vou den Engländern gefangen
und nach einem höchst ungerechten Prozesse von französi¬
schen Richtern und Bischöfen zu Rouen als Hexe ver¬
brannt. Indessen war nun einmal Frankreich siegreich;
unb bis 1436 war alles außer Calais den Engländern
entrissen.
Die französischen Könige hatten jetzt nur noch in bem
reichen Herzog von Burguub, Karl dem Kühnen,
einen gefährlichen Rebenbuhler, der außer seinen Reichs¬
lehen den größten Theil der Niederlande besaß und sogar
mit dem Kaiser um den Königstitel unterhandelte. Allein
der listige Ludwig XI. wußte ihn in Kriege mit den
Schweizern zu verwickeln, in welchen er schwere Nieder¬
lagen und zuletzt den Tod fand (1477). So zog Ludwig
fein Reichslehen an sich. Die Niederlande aber sielen an
Oesterreich, indem Karl's einzige Tochter Maria ihre
Hand Maximilian I. bot. Frankreichs Könige hatten
jetzt die erzielte Macht erreicht. Nahmen auch ihre nun¬
mehrigen Eroberungsversuche in Neapel unb Oberitalien
einen unglücklichen Ansgang, so erstarkte boch bas Reich
im Innern, vornehmlich unter Lnbwig XII. (1498 bis
1515), ber ein Vater bes Vaterlanbes genannt würbe,
unb bas Zeugniß hat, baß in Frankreich nie bessere
Gesetze unb Kriegszucht gehaubhabt worben seien, als
unter ihm.