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Neue Geschichte. 3. Periode. Rußland. 
Katharina II., 1762—1796, oder wie sie vor ihrer Ver¬ 
mählung hieß, Sophie Auguste Friederike, war 1729 in Stettin 
geboren, wo ihr Vater, der Fürst von Anhalt-Zerbst, preußischer 
General und Gouverneur war. Hier verlebte sie, als eine unbe¬ 
deutende und arme Prinzessin, ihre Jugendjahre in großer Stille 
und hatte, wie einst Elisabeth von England, Zeit, ihre schönen 
Talente auszubilden. Durch Friedrich II. wurde sie, wie schon 
gesagt, mit dem Großfürsten Peter vermählt und nahm nun den 
griechischen Glauben und den Namen Katharina an. Nachdem sie 
den Thron als Selbstherrscherin bestiegen und alle, welche ihr dabei 
zur Seite gestanden, mit Reichthümern und Ehrenstellen freigebig 
belohnt hatte, entfaltete die Kaiserin in den inneren, wie in den 
äußeren Angelegenheiten eine umsichtige und erfolgreiche Thätigkeit. 
Sie hat das Werk Peters des Großen vollendet, indem sich unter 
ihr Rußland zur europäischen Großmacht erhob. Mit Friedrich 
dem Großen schloß sie ein Freuudschaftsbündniß; von ihrer Mit¬ 
wirkung bei den Theilungen Polens ist in Abschnitt 110 erzählt 
worden. 
Zweimal machte man den Versuch, Katharina vom Throne zu 
stürzen, aber beide Male vergeblich. Es lebte nämlich bei ihrer 
Thronbesteigung noch jener Iwan, welchen Elisabeth 1741 ent¬ 
thront und in Schlüsselburg eingesperrt hatte. Seine hohe Geburt 
war sein Unglück; denn der arme Prinz hatte seitdem nie wieder 
die Freiheit genossen. Jetzt war Iwan, als Katharina Kaisenn 
wurde, 23 Jahre alt und kannte niemanden weiter als die Offiziere 
seiner Wache, die den strengsten Befehl erhallen hatten, ihn sogleich 
zu todten, sobald jemand den Versuch machen sollte, ihn zu befreien. 
Dies geschah auch wirklich 1764. Ein bei der Besatzung von 
Schlüffelburg stehender Lieutenant, Namens Miro witsch, drang 
mit 38 Soldaten bis zu seinem Kerker vor. Jetzt, glaubten die 
Offiziere seiner Wache, sei der Augenblick gekommen, ihn todten zu 
müssen, und erstachen den unglücklichen Prinzen. 
Den zweiten Ausstand erregte 1773 ein gemeiner dänischer 
Kosack, Emeljan Pugatschew. Er hatte im siebenjährigen Kriege 
und gegen die Türken als Soldat gedient und war dann nach 
Uralsk zu den uralskischeu Kosackeu gekommen, die erst kurz vorher 
wegen eines Aufruhrs streng bestraft worden und daher noch sehr 
unzufrieden waren. Wegen frecher, aufrührerischer Reden wurde 
er festgenommen und nach Kasan geführt, und sollte hier eben be¬ 
straft werden, als es ihm gelang, zu entwischen. Er kam zu den
	        
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